6842292-1975_50_15.jpg
Digital In Arbeit

Kampf um Erneuerung

Werbung
Werbung
Werbung

Die USA haben sich zusammengenommen und aufgerafft: Zur ersten großen Ausstellung amerikanischer Bühnenkunst, die überhaupt jemals veranstaltet wurde. Das Internationale Theaterinstitut der USA (ITI) hat sie 1974 zusammengestellt, und zwar vor allem für die Dritte Prager Quadrenniale der Bühnenkunst, und von dort ist sie nach Wien, ins Künstlerhaus, weitergereicht worden und soll auch in den USA als Informationsschau dienen ...

Es klingt unglaublich: Aber fast keine Internationale Theaterausstellung hat bisher Amerikas Beitrag zum modernen Bühnenbild entsprechend gewürdigt: teils, weil der angelsächsische Sprachnaum meist durch exemplarische Leistungen des englischen Theaters genügend belegt war, teils wohl auch, weil selbst jetzt, für diese Schau, es außerordentlich schwierig war, Werke der über ganz Amerika verstreuten Künstler zusammenzubekommen und da aus dieser ungeheuren Vielfalt programmatische Leitlinien zu entwickeln. Das amerikanische ITI ging nun den einzig möglichen Weg, um Wesentliches zusammenzubekommen: alle Theater wurden von diesem aufwendigen Ausstellungs-projekt informiert, denn man wollte möglichst viele Facetten zeigen, von der Broadway Show bis zur großen Operniktszenierung, vom Konversationstheater bis zum experimentellen Off- und Off-Off-Broadway.

Amerikanische Bühnenbildkunst im modernen Sinne ist relativ jung: Ganze 60 Jahre. Vorher gab es nur bescheidene Dekorationsmaler, Mitglieder der Theatertruppe, die dieses Handwerk absolvierten. Erst der steigende Bedarf an Ausstattungen im ganzen Land führten zum Zusammenschluß von Bühnenbildner-Gruppen in Studios: Sosman und Landis in Chicago, Lee Lash, Unitt und Wiekes sowie Gates und Morange in New York. Realistiische Dekorationen wurden da am Laufband fabriziert. „Bühnenbild-Handelszentren“ sorgten für hunderte Theater. Ein David Belasco, Produzent und Regisseur, konnte sich schließlich zum „König des realistischen Bühnenbilds“ aufschwingen.

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg begann allerdings der Sturm gegen diesen falschen Realismus: Gordon Craiig und Adolphe Appia predigten, daß das Bühnenbild in funktionellem Zusammenhang mit dem Stück stehen müsse, seine geistige Atmosphäre spiegeln sollte.

Seit 1923 kommt es zur Profilierung eines OFF-Broadway: Experimentelles Theater wendet sich aus Prinzip von den großen Shows, vom konventionellen Stil des Konversationstheaters, der Opernbühne ab. Man spielte in kommunalen Kulturzentren, die gegründet wurden, erschloß das Sohultheater, erschloß , die bildenden Künste für die Bühne ... Gerade Gastpiele und große Arbeiten eines Max Reinhardt, Diaghilew, Stanislawski führten zur Liquidation des alten Realismus: Freud, Dyna-mismus und Maschinenkunst, Futurismus bestimmten die neue Theaterszene. Licht wurde zum entscheidenden Gestaütungselement, der rasche Szenenwechsel, Simultanbühnen, transparente Schauplätze ... Das alles wurde von Autoren geforderte Notwendigkeit. Ein Tennessee Williams, Edward Albee, Thornton Wilder, Arthur Miller... Sie alle haben bis heute immer wieder zur Erneuerung der Gestaltungsverfahren für Dekorationen wesentlich beigetragen. Und auch das musikalische Showbusineß erfand sich parallel dazu seinen eigenen Bühnenstil: Seit den dreißiger Jahren brauchte man immer wieder, gerade für die aufwendigen Musicals eines George Gershwin, Jerome Kern, Cole Porter, Richard Rodgers und Arthur Schwartz, szenische Lösungen, die vor allem technisch konzipiert waren, weil Bühnenmaschinerie, Licht, Choreographie, Musik minuziös zusammenspielen mußten.

60 Jahre US-Bühnenbild, das waren also 60 Jahre eines ständigen Wandels, einer Szene des Aufbruchs, in der einander Regisseure, Bühnenbildner, bildende Künstler, Licht-und Bühnentechniker und vor allem Autoren permanent beeinflußten. Das vor allem zeigt diese sehenswerte Ausstellung im Künstlerhaus, dieses „Kämpfen, um sich selbst von Grund auf zu erneuern, und das an einem Dutzend verschiedener Fronten“ (Walter Kerr). Es dokumentiert sich in den Werken der Prominenten für Häuser von Weltruf, also eines Boris Aronson, Rouben Ter-Arutu-nian, Isamu Noguchi, Oliver Smith, Edd Wittstein (dessen auch in Wien gezeigte „Amen Oorner“-Dekors zu sehen sind), ebenso wie in den Experimenten hier wenig Bekannter für kleine Theater... Das Theater der USA — das ist Theater von stupen-der Vitalität und geprägt von einem erstaunlichen Drang zum Neuen, Unkonventionellen. Eben das, was speziell dem erstarrenden österreichischen Theater längst von Grund auf fehlt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung