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Prügel für Jusos

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Tumultartige Zwischenrufe der SPD während der Regierungserklärung von Ministerpräsident Goppel sowie die Heftigkeit, mit der ihr Landesvörsitzender Gabert den Passus, die Bundesregierung verfolge sozialistische Tendenzen, attackierte, zeigen deutlich, wie niedrig die Reizschwelle der bayrischen Sozialdemokraten geworden ist. Hitzige, in aller Öffentlichkeit geführte Auseinandersetzungen mit den Ultras in den eigenen Reihen sowie ungelöste Personal- und Strukturprobleme haben wesentlich zu solch überhöhter Empfindlichkeit beigetragen.

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Tumultartige Zwischenrufe der SPD während der Regierungserklärung von Ministerpräsident Goppel sowie die Heftigkeit, mit der ihr Landesvörsitzender Gabert den Passus, die Bundesregierung verfolge sozialistische Tendenzen, attackierte, zeigen deutlich, wie niedrig die Reizschwelle der bayrischen Sozialdemokraten geworden ist. Hitzige, in aller Öffentlichkeit geführte Auseinandersetzungen mit den Ultras in den eigenen Reihen sowie ungelöste Personal- und Strukturprobleme haben wesentlich zu solch überhöhter Empfindlichkeit beigetragen.

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Zündstoff für den parteiinternen Konflikt bieten vor allem die Münchner Jungsozialisten. In einem Programm „sozialistischer Kommunalpolitik" fordern sie unter Aufgabe der Prinzipien von Kostendeckung, Subsidiarität und Sozialversicherung eine Vergesellschaftung der gesamten Daseinsvorsorge. Von den Bürgern öffentlich gewählte und kontrollierte Stadtteil- und Fachräte, rigorose Bodenenteignung und progressive Steuern sowie eine durch Abbau von Verteidigungs- und Subventionslasten ermöglichte Umverteilung der öffentlichen Mittel sollen das angestrebte Rätesystem ermöglichen. Nach der Veröffentliciiung solcher Thesen wurde der neugewählte und in seiner Spitze ziemlich Jusofreundliche Münchner Parteivorstand vom rechten Flügel zu einer Gegenerklärung gezwungen. Darin hieß es: „Die Münchner SPD erstrebt einen freiheitlichen, demokratischen Sozialismus und hält an der parlamentarischen Demokratie^ fest. Vorschläge, die diesen Grundsätzen widersprechen, können niemals Gegenstand ernsthafter politisciier Er-

örterung in den zuständigen Parteigremien sein."

Der nun erst recht auflodernde Streit konzentrierte die Aufmerksamkeit zunehmend auf zwei profilierte Persönlichkeiten der beiden Lager: den Münchner Oberbürgermeister Doktor Vogel und den Chef der bayrischen Jungsozialisten, Schöfberger. Vogel, bis vor kurzem noch unbestritten erster und populärster Mann der bayrischen Sozialdemokratie, ist durch seinen Entschluß, statt für den Landesvorsitz erneut für das Amt des Obertiürgermeisters zu kandidieren, verstärkt ins Schußfeld der Parteilinken geraten. Jetzt wird dem Oberbürgermeister ein Zuviel an Pragmatik imd ein Zuwenig an ideologischer Ausrichtung vorgeworfen.

Schöfberger, der sich bereits vorher als kämpferischer Landtagsabgeordneter in der Öffentlichkeit einen Namen gemacht hat, ist nach Meinung Vogels als „treibender Kern der Auseinandersetzung" anzusehen. Trotz ostentativer Gegnerschaft des Oberbürgermeisters ist es ihm bei den letzten Wahlen gelungen, seinen Landtagssitz zu behaupten und seine Position zu verstärken. Bei der ihm eigenen Mischung von ideologischem Drill und bajuwarischem Charme dürfte es ihm möglich sein, weitere Anhängerschaft um sich zu scharen.

Ende Jänner ist es zu einer Aussprache gekommen, die zur Konsolidierung der Partei beitragen sollte. In einem überfüllten Saal der Technischen Universität äußerte sich der Oberbürgermeister positiv zum Juso-Vorschlag, den Anteil der Gemeinden am Sozialprodukt zu erhöhen sowie zu ihren Überlegungen bezüglich Verkehrs-, Wohnungs- und Bildungspolitik. Anderen Vorschlägen, die darauf abzielten, in öffentlichen Versammlungen Stadtteilräte zu wählen oder die sogenannten „Grundbedürfnisse der Bürger" öffentlich zu organisieren und zu finanzieren, widerspracii er nach-drücklicii.

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