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Bayrisches Rot
Seit der Machtablösung in Bonn ist die bayrische SPD eifrig darum bemüht, das Motto des nächsten CSU-Parteitages „Deutschland braucht Bayern“ im eigenen Sinne weiter zu interpretieren: „Die sozialdemokratische Bundesrepublik braucht ein sozialdemokratisches Bayern.“
Seit der Machtablösung in Bonn ist die bayrische SPD eifrig darum bemüht, das Motto des nächsten CSU-Parteitages „Deutschland braucht Bayern“ im eigenen Sinne weiter zu interpretieren: „Die sozialdemokratische Bundesrepublik braucht ein sozialdemokratisches Bayern.“
Zumindest mittelfristig rechnet sich die mit 120.000 Mitgliedern stärkste Landespartei, die fn der Nachkriegszeit erst einmal und nur für kurze Zeit eine weißblaue Regierung ge-
Partei, die einen Georg von Vollmar, Wilhelm Hoegner und Waldemar von Knöringen an ihrer Spitze hatte, besitzt im jetzigen Vorsitzenden Gabert zwar einen rechtschaffenen Verwalter der errungenen Positionen, aber keineswegs einen Eroberer, der zu neuen Zielen aufbrechen und antreiben könnte. Der einzige, dem diese Qualität zuzutrauen wäre, sitzt in München auf dem Stuhl des Oberbürgermeisters fest. 1972, wenige Monate vor der Olympiade, sind erst Neuwahlen, die Dr. Vogel eindrucksvoll in seinem Amt bestätigen dürften, und im August des gleichen Jahres könnte er dann als „Gastgeber der Welt“ die Früchte harter Jahre auch selbst einheimsen.
Die Parteiraison verlangt es indes anders. Der Landesvorstand hat Mitte März den Münchner Oberbürgermeister auf Vorschlag von Gabert einstimmig aufgefordert, sich nach seiner Amtsperiode für die landespolitische Aufgabe zu entscheiden, wenn für die. Nachfolge in München eine Lösung gefunden werden könne, die „zum Wohle der Stadt und der Bürgerschaft die Fortsetzung der bisherigen erfolgreichen Politik Dr. Vogels und der Münchner Sozialdemokraten im Münchner Rathaus gewährleiste“. Dieser in aller Öffentlichkeit diskutierte und überwiegend positiv beurteilte Vorstoß kommt einer politischen Vorentscheidung gleich, der sich auch der nicht eben unautoritäre Dr. Vogel schwerlich wird entziehen können. Manche sehen in der Aufforderung des Landesvorstandes bereits die Kapitulation der SPD vor den Wahlen des kommenden Novembers, aber auch deren Zuversicht, die Machtablösung in vier Jahren mit Vogels Hilfe um so sicherer zu schaffen.
Schon im Sommer dieses Jahres soll die Entscheidung fallen, und es gilt als ziemlich sicher, daß sich Vogel — wenn auch im Augenblick ungern — für die Landespolitik entscheiden wird.
Interessant ist die Fronde, die sich innerhalb der SPD gegen diese Pläne gebildet hat. Neben den drei für ihr Eigenleben fürchtenden Bezirksverbänden ist es vor allem der Münchner Unterbezirksverband, der sich aus mehreren Gründen einer politischen Karriere Vogels auf Landesebene widersetzt. Am deutlichsten manifestierte sich der Konflikt bei einer Kandidatenaufstellung für das Amt des Bezirksvorsitzenden von Südbayern, wo ebenfalls ein Generationswechsel bevorsteht. Dem Bundestagsabgeordneten und Exponenten der Rechten, Dr. Günther Müller, der ursprünglich als aussichtsreichster Kandidat für dieses Amt galt, wurde auf dieser Sitzung von den Jungsozialisten ein demonstratives Mißtrauensvotum ausgesprochen. Weil sich nun Müller bei seiner Verteidigung nicht der innerparteilichen Spielregeln bedient habe, wurde ihm ein Schiedsgerichtsverfahren angehängt und mit dem Ausschluß aus der Partei gedroht. Den Vorsitzenden der SPD-Landesgruppe in Bonn und Münchner Abgeordneten mit dem besten Stimmenergebnis der letzten Bundestagswahlen fleht das allerdings nicht zu stark an. Er rechnet sich im Gegenteil Chancen aus, mit dieser Absetzung gegen links mehr Stimmen von den ländlichen Genossen zu erhalten als sein Gegenkandidat, der innerparteilich neutralere Agrarexperte Kronawitter.
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