Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Vogels Rettungsboot
Die bayrische SPD-Führung hat sich unter massivem Druck aus dem eigenen Parteivolk und auch aus der Bonner Zentrale zu einem Entschluß durchgerungen, der dem beinahe selbstmörderischen Gerangel um die politische Zukunft ihres Wahlmagneten, Dr. Vogel, ein Ende bereiten soll: Der seit 1963 amtierende Landesvorsitzende Gabert beschloß, vorzeitig zurückzutreten.
Die bayrische SPD-Führung hat sich unter massivem Druck aus dem eigenen Parteivolk und auch aus der Bonner Zentrale zu einem Entschluß durchgerungen, der dem beinahe selbstmörderischen Gerangel um die politische Zukunft ihres Wahlmagneten, Dr. Vogel, ein Ende bereiten soll: Der seit 1963 amtierende Landesvorsitzende Gabert beschloß, vorzeitig zurückzutreten.
Vogel erklärte darauf seine Bereitschaft, auf einem kurzfristig im Frühling anberaumten Parteitag für dessen Nachfolge zu kandidieren und gleichzeitig seinen Verzicht, sich nochmals für das Amt des Vorsitzenden im Unterbezirk München zur Verfügung zu stellen.
Anlaß für diese einschneidende Änderung der Parteitagsbeschlüsse von Immenstadt — Vogel sollte erst im Februar erneut als Chef der Münchner Partei bestätigt werden, den Wahlkampf für den neuen Oberbürgermeister-Kandidaten führen und dann im Herbst die Führung der Landespartei übernehmen — bot die ständig prekärer werdende Situation innerhalb des SPD-Unterbezirks. Schon als im Spätherbst der Juso-Sprecher Geiselberger wegen eines von ihm gebilligten Artikels in den
Juso-Informationen, der Vogel dif-Camierte, nur mit zwei Stimmen Mehrheit von der Stadtratsliste abgewählt wurde, hatte sich gezeigt, daß mit einer Konsolidierung innerhalb der Partei nicht mehr zu rechnen war. In Sektionswahlen, die in 3er Folge anliefen, wurden dann systematisch Exponenten des Vogel-Flügels abgewählt. So verloren beispielsweise beide Stellvertreter des Oberbürgermeisters im Unterbezirk-Vorstand sowie seine Pressesprecher im Rathaus Sitz und Stimme im Parteitag. Dieser Schmelzprozeß innerhalb der ohnehin nur schwachen Mehrheit unter den Delegierten, die für Vogel gestimmt hattten, ließ seine Wiederwahl äußerst fraglich erscheinen. Eine empfindliche Schlappe gerade für den Mann, der bei den Kommunalwahlen einen Sieg garantieren sollte, wäre unausweichlich gewesen.
Allerdings war es nicht nur die jetzt den Jusos angelastete „Konfliktstrategie“ im Verein mit deren geschickter Personalpolitik, die eine solche Lage herbeigeführt hatte. Ihr Vorwurf der „Selbstherrlichkeit eines einzelnen Mannes auf Kosten einer ganzen demokratischen Partei“ findet in Vogels Prinzip des „alles oder nichts“ während der letzten Monate durchaus gewisse Anhaltspunkte.
Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung kürzlich, als Vogel, der vor kurzem auch seine Scheidung bekanntgegeben hatte, durch konzentrierte Angriffe von allen Seiten wohl an der Grenze seiner psychischen Belastbarkeit angelangt sein dürfte. „Spiegel“ und „Zeit“ hatten die „unheimliche Olympiastadt“ in den schwärzesten Farben gemalt und dem Oberbürgermeister eine gehörige Portion Schuld am unheilvoll verbauten und verschmutzten München zugemessen. Zur gleichen Zeit war wieder ein Parteiordnungsverfahren gegen einen prominenten Juso-Theoretiker bekannt geworden, dem Vogel-Verunglimpfung vorgeworfen wurde. Und am Freitag erntete der OB Schmährufe vom Großteil der Delegierten eines zur Bereinigung von Verkehrstarifen einberufenen Parteitags, als er sich weigerte, klar zu der Behauptung Gaberts Stellung zu beziehen, er, Vogel, bemühe sich um den Landesvorsitz.
Der überraschende Entscheid des Parteivorstands am Wochenende war somit wohl noch die einzige Möglichkeit, personalpolitische Klarheit innerhalb der bayrischen SPD zu schaffen. Die CSU erklärte dazu in bildhaftem Stil, Vogel habe „das Rettungsboot bestiegen, nachdem die linken Piraten das Münchner Parteischiff geentert haben“.
Der Fall Vogel scheint somit entschieden, die erbitterten Auseinandersetzungen innerhalb der Partei gehen jedoch weiter.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!