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Pfalzgraf vom Rhein wird Kurfrst

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Charakteristisch für Bernhard Vogel (43), auch „Bernhard im Glück“ genannt, ist es, daß er am 3. Dezember 1976 gleichzeitig als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und, turnusmäßig, als Präsident des Bundesrates starten wird. Bekanntlich kann diese Länderkammer wegen ihrer Unionsmehrheit — im Gegensatz zum Bundestag — der sozial-liberalen Bonner Regierung große Schwierigkeiten bereiten.

Als ich den bisherigen Kultusminister in Mainz traf, war ich von der Brillanz seiner Sprache beeindruckt, auch von der. Schnelligkeit, mit der er auch die verwickelten Fragen beantwortete. Gelegentlich soll Vogel auch lospoltern, aber öfter gilt, was er selbst von sich behauptet: „Viel lieber kämpfe iclvnüt-dem Florett als mit dem Schwert.“

Unmittelbar nach Vogel interviewte ich die beiden Bildungspolitiker Hildegard Hamm-Brücher (FDP) und Senator Gerd Löffler (SPD). Etwas wehmütig meinten beide: „Würde dieser Vogel doch auf unserem Parteibaum nisten!“

Bei den Sozialdemokraten tut das der ältere Bruder, Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel. (Wie sich herausgestellt hat, kein „Hans im Glück“.)

Ihren Impuls zur Parteiarbeit erhielten die Brüder Vogel von den großen politischen Veteranen der Nachkriegsära. Bernhard ließ sich schon während der Studienjahre durch das Beispiel Konrad Adenauers prägen. Hingegen war Kurt Schumacher das Idol Hans-Jochens. Also stehen sie in verschiedenen Lagern, tauschen gelegentlich spitzige Bemerkungen aus, mögen einander aber doch. So Bernhard: „Mein Bruder gehört der falschen Partei an. Aber bittere Erlebnisse als Soldat während des Krieges führten ihn andere Wege als mich, und ich muß das wohl oder übel respektieren.“

Als Kohl seinen Intimus Vogel in die Regierung von Rheinland-Pfalz hineinmanövrierte, geschah das mit den Worten: „Besser Pfalzgraf vom Rhein als König in Bayern.“ Kohl selbst gelüstete es nach, dem Rang des „Kurfürsten“, nüchterner formuliert:.....des • • Ministerpräsidenten.

Nicht zuletzt mit Vogel als Wegbereiter wurde das 1969 erreicht. Gelegentlich titulierte man Vogel einen „Kohlisten“. Tatsächlich ist das der hochintelligente und zum Handlanger unbrauchbare Vogel nie gewesen. Bald wurde er wichtigster Sprecher der CDU, auch der Bundespartei, in der Bildungspolitik und Präsident oder Vizepräsident der entsprechenden Ausschüsse und Kommissionen.

1972 wählte man ihn auf vier Jahre zum Präsidenten des „Zentralkomitees der deutschen Katholiken“, des größten und wichtigsten Laiengremiums. Er setzte sich für freieste Diskussion ein und widerstand gerade deswegen der manchmal naheliegenden Versuchung, Kardinäle oder Bischöfe zu zensurieren. Zugleich aber machte Vogel klar, daß das „Zentralkomitee der deutschen Katholiken kein verlängerter Arm Roms ist.“ Gelegentlich kritisierte er auch die „allzu taktische Linie in der Ostpolitik des Vatikans“, weil sie den Interessen der Kommunisten diene.

Am 27. Oktober nominierte die CDU-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag Vogel mit 34 Stimmen. 20 entfielen auf seinen Gegenkandidaten, den yon Kohl, djskr.et favorisierten Finanzminisler Johann. Wilhelm. Gaddum, und. .es^gab. nur eine Enthaltung. Bei der Wahl am 2. Dezember fällt jeder Un-sicherheitsfaktor' fort. Die Opposition, die über 45 Sitze verfügt, zehn weniger als die CDU, will gar keinen Gegenkandidaten „auftischen“.

„Lieber in Mainz der erste als in Bonn einer unter vielen“, lautet Vogels eiserner Grundsatz. Natürlich dürfte das nur so lange gelten, bis er vielleicht einmal die Chance hat, in Bonn der erste zu sein.

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