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Neuer Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken

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Professor Hans Maier, der im November mit 123 von 132 Stimmen als Nachfolger von Bernhard Vogel zum Laienführer der deutschen Katholiken gewählt wurde, ist nichts ganz, nichts halb, sondern alles doppelt: Die Astrologen müßten an diesem 45jähri- gen Zwilling ihre Freude haben. In seiner Vaterstadt Freiburg im Breisgau, wo irenäische Tradition von Erasmus bis Kardinal Bea, josephini- scher Liberalismus, alemannische Eigenwilligkeit, vorderrheinischer Witz und Schwarzwälder Grübelei zu einer Mischung gerinnen, die sich in Namen wie Herder, Rahner, Hemmerle und Sontheimer personifiziert, hat der Spätling unter den vier Kindern einer Angestelltenfamilie schon früh eine Sonderrolle übernommen. Im Alter von einem Jahr verlor er Vater und Bruder; er blieb einziges Kind und einziger Mann in der von Frauen geprägten Familie. Als er nach dem Gymnasium und einer journalistischen Zwischenstation bei der „Badischen Zeitung” zur Politikwissenschaft bei Bergstraesser gelangte, mußte der Student durch eine berufliche Nebentätigkeit sein Studium selber finanzieren - Etappen waren dabei Freiburg, Paris und München. Seine Dissertation „Revolution und Kirche”, die er für sein Hauptwerk hält und die mittlerweile schon in der dritten Auflage als dtv-Taschenbuch vorliegt, umreißt das Werden der christlichen Demokratie seit dem ersten Auftreten dieses Begriffs zur Zeit der Französischen Revolution.

Die Beschäftigung als Historiker mit den Zusammenhängen „Kirche-Staat- Gesellschaft” blieb die eine Konstante seiner wissenschaftlichen Laufbahn und wurzelt in einem engagierten Glauben. Die zweite Konstante seiner Hochschultätigkeit, die er 1962

in München begann, ist Politik- und Verwaltungswissenschaft.

Erfahrungen während des Dritten Reichs, die „Unsicherheit aller Gelände” nach dem Zweiten Weltkrieg weckten in ihm den Wunsch, „wieder Grund zu finden”. Die Habüitations- schrift über die ältere deutsche Staatsund Verwaltungslehre geriet ihm zum ersten vielversprechenden Schritt in diese Richtung.

Das Jahr 1970 brachte ihn trotzdem vorwärts. Im November hielt Prof. Maier in Frankfurt die funkelnde und zugleich beißende Einführungsrede auf dem Gründungskongreß des Bundes „Freiheit der Wissenschaft”, in dem sich fast die Hälfte aller deutschen Professoren gegen die „marxistischen Eroberer des akademischen Elfenbeinturmes” zur Wehr setzten. Daß er persönlich sich nicht nur inhaltlich, sondern auch taktisch gegen sie zu behaupten wußte, hatte er schon früher, bewiesen. Seine Münchner Vorlesungen setzte er so früh am Tage an, daß die nachtschaffenden Revolutionäre diese meistens verschlafen mußten.

Im Dezember des gleichen Jahres saß Prof. Melier auf dem Stuhl des bayrischen Kultusministers, Nachfolger von Ludwig Huber, des - nach Strauß - geschicktesten Politprofis der CSU. Plötzlich war ein Parteüoser, Nicht- Bayer, „Politiker des zweiten Bü- dungswegs”, verantwortlich für diesen in einem deutschen Bundesland wichtigsten und - mitten in den Studentenunruhen - schwierigsten Ministerposten. Die Bilanz seiner bisher über sechsjährigen Tätigkeit zeigt, daß er diese Aufgabe nicht nur gut, sondern im Urteil der meisten sogar sehr gut gemeistert hat.

Hüfreich für Maier, der mittlerweile auch CSU-Mitglied geworden ist und maßgeblich am Grundsatzprogramm dieser Partei mitgewirkt hat war zweifellos die nur in seltenen Fällen getrübte Zusammenarbeit mit Strauß.

Wie er in seiner Professorenzeit vom damaligen Leiter der Katholischen Akademie, Prälat Forster, gefördert wurde, so widerfuhr es ihm während seiner Zeit als Kultusminister vom CSU-Vorsitzenden. Forster und

Strauß sind aus ähnlichem Holz geschnitzt Zu Kardinal Höffner, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, besitzt der neue Präsident dės Zentralkomitees ein gutes, vertrauensvolles Verhältnis.

Für sein neues Amt hat sich Prof. Maier drei Schwerpunkte vorgenommen. Einmal will er die ganze Breite des nachkonziliaren Aufbruchs in die Arbeit des Zentralkomitees einbeziehen. Ferner soll die Diskussion um die Grundwerte vertieft und in diesem Sinne die Zusammenarbeit mit den Evangelischen verstärkt werden. Und schließlich hält er es auch im Hinblick auf drohende Spaltungen für notwenig, „das proprium stärker zu bestimmen”.

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