Kirche und Demokratie versöhnen

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Am 7. Mai erhält Hans Maier, eine herausragende Gestalt des deutschen Katholizismus, den Romano Guardini-Preis der Katholischen Akademie Bayern.

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Am 7. Mai erhält Hans Maier, eine herausragende Gestalt des deutschen Katholizismus, den Romano Guardini-Preis der Katholischen Akademie Bayern.

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In den fünfziger Jahren rezensierte Friedrich Heer in der Furche das außergewöhnliche Buch "Kirche und Revolution" eines jungen Freiburger Autors. Heers Fazit: "Der junge Freiburger Historiker Hans Maier legt hier eine bedeutende und gewichtige historische und geistesgeschichtliche Studie vor, die jeder an der neueren politischen und inneren Geschichte Europas Interessierte in die Hand nehmen sollte." Hans Maier empfand dieses Urteil als publizistischen Ritterschlag.

Freiburg & München Hans Maier, 1931 in Freiburg im Breisgau geboren, hat in den Jahrzehnten seines Wirkens gewissermaßen mehrere Leben geführt und sich jeweils darin profiliert - wie es einmal einer seiner Freunde ausdrückte - weil über die Grenzen von Gelehrtenwelt, Wissenschaft und Universität hinausgreifend und in wesentliche Bereiche des zeitgenössischen Lebens wie wenige sonst einwirkend: in den Raum von Gesellschaft und Politik, Bildung und Kultur, Kirche und Religion, um dort als Politiker und Staatsminister, als Repräsentant kirchlicher Organisationen, aber auch als Künstler, Schriftsteller und engagierter zeitkritischer Publizist bedeutende und einflußreiche öffentliche Rollen wahrzunehmen.

Maiers Lebensleitbegriffe sind Politik, Bildung und Religion. Überschaut man seine 68 Lebensjahre und sein umfangreiches wissenschaftlich-literarisches wie praktisch-philosophisches Werk, so fällt auf, daß es sich im wesentlichen um zwei süddeutsche Städte zentriert. Einmal auf Freiburg im Breisgau mit seiner Nähe zu Frankreich, und dann auf München, die bayerische Landeshauptstadt und europäische Kunst- und Kulturmetropole, auf Freiburg von 1931-63 bis zu den ersten akademischen Berufungen, auf München von 1963 bis heute mit den Jahren wissenschaftlicher Lehr- und Forschungstätigkeit, später mit politischen Aktivitäten und schließlich ab 1988 mit der Rückkehr an die Universität.

Freiburgs Bedeutung für Hans Maier liegt fürs erste in der Tatsache, daß er hier am 18. Juni 1931 geboren wurde. Hier hat er die für ihn bis heute unverwechselbare und charakteristische Verwurzelung und Prägung durch die alemannische Sprache und Kultur, durch die katholische Konfession und Bildung erfahren. Hier hat er 1957 das erste Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien abgelegt und 1958 im Hauptfach Politikwissenschaft promoviert.

1962, unmittelbar nach der Habilitation in Freiburg, erhielt der junge Privatdozent gleichzeitig drei Rufe: nach Berlin, Mainz und München. Er entschied sich für München und übernahm dort 1963 den neu eingerichteten zweiten Lehrstuhl für Politikwissenschaft.

Der Kultusminister Von 1970-1986 liegen die Jahre des direkten politischen Engagements in der deutschen Bildungspolitik und in der verantwortlichen Tätigkeit als bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus. In der schwierigen und aufgeheizten kulturpolitischen Situation 1968 taten sich Berufspolitiker schwer mit dem Bereich Schulen und Universitäten. Der damalige Ministerpräsident Alfons Goppel bot dem jungen Wissenschaftler 1970 das schwierige Amt des Kultusministers, das damals als ein Himmelfahrtskommando galt, an, und Maier nahm an. Die 16 Jahre, die er dem bayerischen Staat als Minister diente, waren für ihn ein langer Lernprozeß. Das Amt war ihm schier auf den Leib geschrieben, es hat ihm ermöglicht, sehr viele persönliche Initiativen zu entwickeln wie die Grundlagen für die neuere Gesetzgebung in Sachen Schul- und Hochschulpolitik, Denkmalpflege, Erwachsenenbildung. Mit Alfons Goppel verband ihn eine aufrichtige Freundschaft. Mit Franz Josef Strauß hat er sich zunächst noch im Kabinett Goppel sehr gut verstanden, aber die Spannungen ließen nicht lange auf sich warten. Die Hauptkonflikte, die damals auf Hans Maier zukamen, waren vor allem die Zeiten der beginnenden Finanznot, als nicht mehr alle Lehrer angestellt werden konnten. So soll Franz Josef Strauß dem Schulminister anzuordnen versucht haben, wen er anzustellen habe, und wen nicht. Hans Maier, der Unerschrockene, ließ sich nicht beugen. Franz Josef Strauß entfernte sich im Urteil Hans Maiers in dieser Causa so weit vom Recht, daß er das Gefühl der Willkür hatte. Das war der eigentliche Grund, daß Hans Maier von sich aus aus dem Amt schied.

Politischer Katholik Hans Maier zählt zu den herausragendsten Vertretern des politischen Katholizismus in Deutschland. Er versteht sich nicht als Kulturkämpfer, sondern als Makler zwischen den beiden großen Kirchen einerseits und zwischen Kirche und Politik andererseits. Als langjähriger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken hat er dies unter Beweis gestellt. Dem Christentum empfiehlt er die Aufnahme von ein paar "Lektionen Pluralismus" und die Einsicht, "daß Unbedingtheit des Glaubens nicht auf die Dinge des Alltags übertragen werden kann, daß es in der Politik nicht eine, sondern viele Möglichkeiten und Lösungen gibt."

Hans Maier ist das, was Theodor Eschenburg einen Verfassungspatrioten genannt hat. Konsens und Konflikt bilden für ihn in der Demokratie keine Gegensätze, sondern vielmehr ergänzende Prinzipien. Hans Maier weiß, daß Demokratie vom Konfliktaustrag lebt. Hans Maier, der zu den umfassend gebildeten Deutschen unserer Zeit zählt, der Mann der Wissenschaft, der Politik und der Kirche, der Mann der Feder und des Wortes, er hat sich nie vereinnahmen lassen, nicht von wissenschaftlichen Schulen, nicht von einer Partei, nicht vom Zeitgeist.

Maier & Guardini Kaum jemand in Deutschland hat soviel Fundiertes über Christentum, Katholizismus, Kirche und Demokratie, über Bildung und Kultur, über Freiheit und Demokratie geschrieben wie Hans Maier. Und nur wenige haben einen so bedeutenden Beitrag zur Versöhnung zwischen Kirche und Demokratie geleistet.

"Ein Zeitalter", so schreibt Hans Maier einmal, "das die reißende Veränderung der Lebensverhältnisse täglich spürt, und gar nicht übersehen kann, darf, ja muß wohl auch nach den Konstanten, den Kontinuitäten fragen. Es gibt im Geschichtsgang ja nicht nur die List der veränderten Vernunft, es gibt auch die List des Bestbietenden und mancher jugendliche und ergraute Revolutionär von heute weiß gar nicht wie alt der Fundus ist, aus dem er sich bedient."

Wenn man Hans Maier über sein Verhältnis zu Romano Guardini befragt, so bekommt man zur Antwort, daß man den Impetus übernehmen könne, mit dem Guardini stets nach Kultur gefragt hat: Er habe etwas Wesentliches am Christentum erkannt, nämlich seine Fähigkeit, in unterschiedlichen Zeiten, Völker, Orten, Mentalitäten einzugehen, Gemeinden zu bilden, denn für ihn war der Kern des Christentums in allen Völkern und Sprachen etwas entstehen zu lassen, was wir mit den vielleicht zu weit gefaßten Begriff Kultur meinen.

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