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„Es lebe Österreich!”

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Vor 40 Jahren lebten wir neben Heiligen und Märtyrern. Heinrich Maier ist auch ein solcher gewesen. Es wird in der Zeit unmittelbar nach den frühen Ostertagen des Jahres 1945 gewesen sein, als wir bereits begonnen haben, aus den Ruinen des „1000jährigen Reiches” Hand für ein befreites Österreich anzulegen, da hatte es sich herumgesprochen, daß er wenige Tage vor der Erstürmung Wiens durch die Sowjetarmee am 22. März als Letzter durch Enthauptung hingerichtet worden ist.

Als Maier zusammen mit seinen Schicksalsgefährten von der Todeszelle zum Schafott geführt wurde, gab er diesen noch seinen priesterlichen Segen und rief dann so laut, daß es viele Mithäftlinge im „Grauen Haus” hörten: „Es lebe Christus der König! Es lebe die Freiheit! Es lebe Österreich!”

Heinrich Meier starb im Alter von 37 Jahren, genau ein Jahr nach seiner plötzlichen Verhaftung in der Sakristei seiner Pfarrkirche in Wien-Gersthof, wo er als Kaplan wirkte, als Kurat des österreichischen Pfadfinderkorps St. Georg, als Angehöriger der CV-Verbindung „Nibelungia” und des Bundes Neuland, als Freund der Familie - ein ganz außergewöhnlicher Mensch:

Seine brillante Begabung, seine Rede- und Weltgewandtheit und seine gediegene wissenschaftliche Ausbildung (Dr. phil. scho-last. rom. an der Gregoriana in Rom und später Dr. theol. in Wien) und seine Jovialität ließen ihn bei der Jugend, bei den Künstlern und Intellektuellen „gut ankommen”.

Das berichtete nicht nur sein getreuer Chronist, Jahrgangskollege und Gefängnisgeistlicher Franz Loidl, sondern ist mir aus eigener Wahrnehmung in Erinnerung.

Ich hatte damals das Realgymnasium des „Albertus-Magnus-

Schulwerkes der Marienbrüder” in Wien-Währing besucht, wo Heinrich Maier als unser Religionsprofessor sehr beliebt gewesen ist — eine glänzende akademische Karriere wäre ihm sicher gewesen.

Allein die Wissenschaft und die Sorge um die Seelen haben seinem Temperament nicht genügt! Er wußte eine weite liberale Weltauf geschlossenheit mit einer militanten Radikalität im Sinne eines politisch-kämpferischen Katholizismus zu verbinden.

Er war davon überzeugt, daß nur ein politischer Umsturz und eine enge Kooperation mit den Alliierten dem Terrorregime des Nationalsozialismus ein Ende bereiten und Österreich eine neue Zukunft eröffnen könnte. Und daß der Platz auch des Priesters — zumindest für ihn—in der vordersten Front des Widerstandes ist: Ein fanatischer Vorkämpfer der „Bef reiungs”-Theologie!

Ein derartiger Einsatz ohne jede Rücksicht auf die eigene Person erfordert jedoch zumindest als subjektiv-autonome Gewissensentscheidung nichtsdestoweniger jeden Respekt.

Heinrich Maier war auch in harter Gefangenschaft nicht zu brechen: ein Todesmutiger und zur aufrechten Verteidigung der eigenen Sache Fähiger.

Vor der Exekution ist er noch zusammen mit Leopold Figl, Felix Hurdes, Lois Weinberger, Franz von Mayr-Gunthoff u. a. in das Todes-KZ Mauthausen gebracht worden, wo er — wie berichtet wird — trotz schwerster Folterungen nicht zum Verrat gezwungen werden konnte.

Das Todesurteil wirft ihm und seinen Schicksalsgenossen vor, „in den Alpen- und Donaugauen, vornehmlich in Wien, sowie teilweise im Ausland, in den Jahren 1942 bis 1944 durch Beteiligung an einem separatistischen Zusammenschluß den Hochverrat vorbereitet und dadurch die Feinde (des) Reiches begünstigt” zu haben. Maier hätte insbesondere auch die Verbindungen zum feindlichen Ausland aufgenommen und dieses auf deutsche Rüstungswerke zum Zwecke des Luftbombardements hingewiesen.

Zusammen mit den am gleichen Tag justifizierten Hermann Klepell (damals im 27. Lebensjahr) und Josef Wyhnal (damals 42 Jahre alt) ist Heinrich Maier auf dem Friedhof in Neustift am Walde in Wien-Döbling beerdigt.

Der Raum im Wiener Landesgericht, in dem die Exekutionen stattgefunden haben, dient heute als Stätte des Gedächtnisses an die Österreicher wie Heinrich Maier, die uns neue Chancen gegeben haben, die wir bisher nur so unzureichend wahrzunehmen wußten.

„Kaplan Heinrich Maier — Ein Opfer des nationalsozialistischen Gewaltsystems”, von . Franz Loidl, in: Herbert Schambeck (Hrsg.), Kirche und Staat, Fritz Eckert zum 65. Geburtstag, Berlin 1976.

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