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Der Parade-Intellektuelle Hans Maier, ehemaliger bayerischer Kultusminister und Präsident des Zentralkomitees deutscher Katholiken (ZdK), vollendet am 18. Juni sein 80. Lebensjahr.

Maier - ein Allerweltsname, Hans erst recht. Aber wenn davor "Professor Dr.“ steht, wird daraus der akademische Lehrer, der bayerische Kultusminister (1970-1986), der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ZdK (1976-1988), ein vielseitiger Autor, ein gefragter Redner, ein Schöngeist, ein Organist … Zum runden Geburtstag beschenkt der gebürtige Freiburger Hans Maier seine Zeitgenossen und sich selbst mit einer Autobiografie.

Die Seitenbemerkungen, Zwischentöne und Akzente machen sie zur spannenden, streckenweise amüsanten Lektüre. "Abrechnungen“ oder Indiskretionen eines verbitterten Alten sind darin allerdings nicht zu finden, auch wenn es durchaus nicht nur gute, sondern auch böse Zeiten gab, die der in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsene Parade-Intellektuelle in acht Jahrzehnten erlebte. Aber alles in allem darf er sich als "Hans im Glück“ fühlen, beruflich wie privat.

Ein Who’s who des 20. Jahrhunderts

Die 34 Kapitel sind drei Teilen zugeordnet: "Die Freiburger Welt“, "In München: Stadt, Universität, Politik“, "Die Zeit - und das gewöhnliche Leben“. Das umfangreiche Personenregister dokumentiert noch einmal, was dem aufmerksamen Leser nicht entgeht: Das Buch liest sich wie ein Who’s who des 20. Jahrhunderts mit aufschlussreichen Kurzcharakterisierungen von Zeitgenossen - angefangen bei Jugendbekanntschaften etwa mit Klaus Hemmerle, dem Fundamentaltheologen und späteren Bischof von Aachen, oder von Martin Heidegger, Romano Guardini, Karl Rahner SJ, Max Müller, Gerhard Ritter, Hans Sedlmayr, Alois Dempf, Reinhold Schneider, Bernhard Welte, Arnold Bergstraesser, Kurt Sontheimer, Eric Voegelin, Hans Magnus Enzensberger, Karl Forster, dem Gründer der Katholischen Akademie in Bayern, oder Joseph Ratzinger, um nur einige wenige Namen zu nennen.

So mancher CSU-Politiker - Hans Maiers Abgang aus der Politik war der eines Gentleman, aber keineswegs freiwillig - wird wohl im Personenregister nachschlagen, ob und wann ja, auf welcher Seite er erwähnt wird, und nachblättern, wie er "davonkommt“; Persönlichkeiten der Kirche(n) vielleicht auch. Aber niemand von ihnen hat Häme zu befürchten.

Hans Maier war ein Ausnahmepolitiker, ja fast ein Antipolitiker - einer, der sagte, was er denkt (zum Schrecken seiner Beamten), ein Minister ohne Parteibuch und Landtagsmandat (zunächst) und ohne Hausmacht. Lange war er das intellektuelle Aushängeschild der CSU - er, der Zugereiste mit badischem Zungenschlag. Wer weiß, wie die deutsche Universitäts-, Kultur-, aber auch die Kirchenpolitik jener Jahre ohne ihn abgelaufen wäre?

Querdenker und Quereinsteiger

Seit 1962 (jüngster) Professor für politische Wissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München (bis 1971), holte ihn "Landesvater“ Alfons Goppel 1970 in sein Kabinett auf den "Schleudersitz“ des Kultusministers, vom damaligen rheinland-pfälzischen Fachkollegen Bernhard Vogel (CDU) mit dem Ausruf: "Willkommen im Kreis der Prügelknaben“ begrüßt. Sechs weitere Jahre diente Maier unter "Bayernherrscher“ Franz Josef Strauß, der das Ministerium schließlich aufteilte - was Hans Maier zum Rücktritt veranlasste und, eher ungeplant, noch einmal den Weg für eine Professur (1988-1999) in den Fußstapfen Karl Rahners und Eugen Bisers auftat: christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie ("Guardini-Lehrstuhl“).

In München musste sich Hans Maier erst behaupten (lernen): als Professor ebenso wie später als Langzeitminister. Einer Journalistin gegenüber hatte er zu den Umwälzungen in der akademischen Welt gemeint: "Diesen Leuten überlasse ich nicht die Universität“ - gemeint waren linke, militante Gruppen, die den Uni-Alltag störten, vereinzelt aber auch manchen Professor in den Suizid trieben. Hans Maiers "Gegenkurs“ führte zum Ruf ins Kultusministerium - als "Politiker des zweiten Bildungsweges“. Der anfangs so undiplomatisch agierende Quereinsteiger hörte am Ende einer Pressekonferenz einen Beamten plaudern: "Sie sagen ja alles!“ Gestandene Parteimitglieder meinten: "Hans, du Hund“, (in Bayern bekanntlich ein hohes Lob!), "du hast genau das gesagt, was wir immer sagen wollten, aber nicht sagen konnten.“

Ein Sittenbild des Katholizismus

Kurzfristig war Hans Maier als Bundespräsidentenkandidat von Helmut Kohls Gnaden im Gespräch, als die CDU befürchten musste, die NSDAP-Mitgliedschaft von Carl Carstens werde dessen Chancen schmälern. Als ZdK-Präsident ("das, Katholikenzeugl‘“) eckte Hans Maier ("arroganter Professor“) wiederholt bei "FJS“ an: Franz Josef Strauß trennte sich recht pragmatisch von dem ihm intellektuell weit Überlegenen, indem er das Kultusministerium in zwei Ministerien aufspaltete, wogegen Maier aus Überzeugung heftig protestiert hatte.

Sämtliche Kapitel sind nicht zuletzt ein Sittenbild der Geschichte des Katholizismus im 20. Jahrhundert. Hoch spannend etwa Kapitel 31 ("Protestanten, Orthodoxe - und ein deutscher Papst), das ein bezeichnendes Licht auf die Entwicklung wirft, die Joseph Ratzinger nahm: vom Professor zum Erzbischof von München und Freising bis hin zum langjährigen Präfekten der Glaubenskongregation, der in Sachen Schwangerschaftskonfliktberatung Hans Maier in einer Art und Weise abkanzelte, die man einem Kardinal prima vista eigentlich nicht zutrauen würde. Die Diffamierungen durch deutsche Bischöfe diesseits wie jenseits der Alpen, die der Homo politicus et catholicus Hans Maier und andere Persönlichkeiten wegen der Gründung des Vereins "Donum vitae“ über sich ergehen lassen mussten, gehen auf keine Kuhhaut. Aber das dürfte einem der heftigsten Opponenten entgehen, der als Papst wohl kaum Autobiografien liest. Ironie der Geschichte: Joseph Ratzinger und Hans Maier haben einmal zusammen ein Taschenbuch veröffentlicht: "Demokratie in der Kirche“ (1970).

Ein wenig Geschichte - und viel Himmel

Hans Maier weiß um seine Talente. Manchmal vielleicht zu sehr. Aber er beweist am Ende seines Buches auch Humor, gepaart mit intellektueller Eitelkeit: "In den achtziger Jahren“, so der Vater von sechs Töchtern, "sagte eine Tochter einmal:, Es ist ganz einfach: Der Papa möchte in die Geschichte eingehen - die Mama in den Himmel!‘ Da ist ein bisschen was Richtiges dran. Zwar bin ich nur eine winzige Fußnote in der Geschichte Bayerns, Deutschlands und seiner Kultur - aber gerade diese paar Zeilen sind mir wichtig, ich leugne es nicht. Und immer wieder ertappe ich mich bei demselben Gedanken: Könnte man nicht vielleicht doch beides verbinden - ein ganz klein wenig Geschichte und am Ende viel, viel Himmel?“

Sicher ist: Es kommt im Leben immer wieder auch auf die Fußnoten an, vor allem aber auf die, die sie schreiben!

Der Autor leitet in München das Rahner-Archiv und die Zeitschrift "Stimmen der Zeit“

Hans Maier

Geb.1931 in Freiburg, Studien in Freiburg, München, Paris. 1962 Prof. f. polit. Wissenschaften, Uni München, 1970-86 Kultusminister in Bayern, 1988-99 Prof. f. Christl. Weltanschauung, Religions- u. Kulturtheorie (Guardini-Lehrstuhl), Uni München, 1976-88 Präsident des ZdK.

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