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Bayrisches Objekt

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Kunst ist in Bayerns Geschichte schon öfters zum brisanten Politi-kum geworden. Waren es allerdings zu königlichen Zeiten mit Lola Mon-tez und Richard Wagner noch „vornehme“ Anlässe, die Bayerns Politik in Bedrängnis brachten, so ist es unter der Regierung der CSU ein ungemein trivialer Gegenstand — nämlich ein Katalogbild „Künstlerscheiße / Dosenprodukt Mai 1961“ des verstorbenen Mailänder Malers Piero Manzoni —, der Kultusminister Maier und unter Umständen das ganze Kabinett Goppel dazu veranlaßt, dem derzeitigen Potentaten Strauß mit Rücktritt zu drohen.

In der Sache geht es dabei um folgendes. Aus einer Reihe von qualifizierten Bewerbern für das frei werdende Amt eines Generalkonservators des Landesamtes für Denkmalpflege hatte das Kultusministerium Michael Petzet, den 40jährigen Direktor der Münchner Städtischen Galerie im Lenbachhaus, ausgewählt. In Vorbesprechungen, wurden dann auch der Landesvorsitzende Strauß und die CSU-Parteileitung unterrichtet. Von deren Seite wurden in der Folge angeblich Bedenken angemeldet, daß es sich bei diesem Kandidaten um einen „Linken“ handle, den man tunlichst zugunsten eines aufrechteren Vertreters heimatlicher Belange zurückstufen sollte. Kultusminister Maier, der sich mit der Wahl seiner Beamten identifizierte, insbesondere, da es sich bei dem Bewerber um einen allgemein anerkannten Fachmann handelte, forderte stichhaltige Beweise für diese negative Beurteilung. Als solche innerhalb der angebotenen Frist ausblieben, präsentierte er seinen Kandidaten im bayrischen Kabinett, wo sich eine Mehrheit für dessen Nominierung aussprach.

Daraufhin kam es zum Eklat mit dem Parteivorsitzenden, der sich vor allem auch dadurch geprellt fühlte, daß man ihm gegenüber eine definitive Entscheidung über dieses Amt erst im Juni in Aussicht gestellt hatte. Durch CSU-Generalsekretär Tandler übermittelte er dem Kabinett die Aufforderung, die Nominierung rückgängig zu machen. Tandler lieferte nun auch als ominöses Beweisstück den von Petzet mit einem Vorwort versehenen Ausstellungskatalog für eine im letzten Oktober durchgeführte Retrospektive des Mailänder Künstlers im Lenbachhaus, in dem das besagte „Sch.. häferl“ abgebildet war. Als selbständiges „Objekt“ war es allerdings im traditionsreichen Haus am Münchner Karolinenplatz nicht ausgestellt worden. Kultusminister Maier erklärte darauf sofort, daß er im Falle einer Stornierung der Entscheidung sein Amt zur Verfügung stellen würde. Seine Begründung: „Ich habe nicht jahrelang gegen das imperative Mandat der Linken gekämpft, um es nun im eigenen Hause praktizieren zu lassen.“ Auch im Kabinett mehrten sich die Stimmen derer, die sich mit der Haltung Maiers solidarisch erklärten. Denn die Brüskierung, die die bayrische Regierung bei einer ähnlichen Personalentscheidung im Frühwinter — es handelte sich damals um die Neubesetzung des Vorstandssitzes der Bayerischen Versicherungskammer — vom CSU-Vorsitzenden hinnehmen mußte, war noch zu frisch, als daß man erneut das Gesicht verlieren wollte. Strauß ließ daraufhin eine Erklärung verbreiten, in der er betonte, daß die Entscheidung „in der alleinigen Zuständigkeit der bayerischen Regierung“ liege. Er selbst habe keinen eigenen Vorschlag, aber er habe auch nie geglaubt, daß Petzet ernsthaft vorgeschlagen werden würde, da ihm schwerwiegende Bedenken gegen dessen Person vorgetragen worden seien. Strauß unterstrich auch, daß er Kultusminister Maier nach wie vor für den besten in der Runde aller Kultusminister halte.

Feststeht, daß Strauß mit diesem — in bayrischer Manier auf offenem Markt ausgetragenen — Hauskrach weder sich selbst noch der eigenen Partei viel Nutzen gebracht hat. Zu einem Zeitpunkt, da er sich in einem „Stem“-Interview vorsichtig als kommender Bundeskanzler anbietet und da in Bayern dank der Dauerquerelen der SPD die eindrucksvolle Bestätigung einer absoluten CSU-Mehrheit bei den Landtagswahlen im November durchaus möglich erscheint, warf er sich und den Seinen durch relativ unbedeutende Personalentscheidungen Prügel auf den Weg. Im „Fall Petzet“ wird Strauß der Optik und dem Frieden zulieb wohl in irgendeiner Weise nachgeben müssen. Aber er wird nun vermutlich noch vermehrt seine bis jetzt immer offen gelassene Direkt-kandidatur für den bayrischen Landtag betreiben, um künftig bei heimischen Entscheidungen mehr dabei zu sein. Nicht nur die SPD, sondern auch die CSU wird sich künftig mit Doppelstrategie und imperativem Mandat beschäftigen müssen.

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