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Die rote Unterwanderung

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In Bayern ist ein kommunikationspolitischer Streit im Gange. Er spiegelt personelle, parteiinterne und medienspezifische Schwierigkeiten bei Funk und Fernsehen und wirft ein bezeichnendes Licht auf die Situation der Massenmedien in der Bundesrepublik. Anlaß für die letzten Auseinandersetzungen boten einige Fernsehsendungen und Radiokommentare, die in gewisser Weise die in CSU- und Rechtskreisen verbreitete und von CSU-Chef Strauß immer häufiger geäußerte These von der „roten Unterwanderung von Funk und Fernsehen” zu untermauern schienen.

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In Bayern ist ein kommunikationspolitischer Streit im Gange. Er spiegelt personelle, parteiinterne und medienspezifische Schwierigkeiten bei Funk und Fernsehen und wirft ein bezeichnendes Licht auf die Situation der Massenmedien in der Bundesrepublik. Anlaß für die letzten Auseinandersetzungen boten einige Fernsehsendungen und Radiokommentare, die in gewisser Weise die in CSU- und Rechtskreisen verbreitete und von CSU-Chef Strauß immer häufiger geäußerte These von der „roten Unterwanderung von Funk und Fernsehen” zu untermauern schienen.

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Innerhalb der CSU haben sich zwei hauptsächliche Angriffsebenen herausgebildet: Der Gesetzesantrag des Landtagsabgeordneten Stein „über die Errichtung und die Aufgabe eines privaten Rundfunks in Bayern” und detaillierte Pläne, das bayerische Rundfunkgesetz tiefgreifend zu ändern.

Veranstalter des im Zwölfmegahertz- Bereich technisch möglichen Privatrundfunks wäre demnach eine in Bayern ansässige, unter Rechtsaufsicht des Staates stehende Aktiengesellschaft mit einer Konzession von mindestens zahn Jahren. Eine Sonderregelung schließt aus, daß sich 50 Prozent oder mehr des Kapitals oder der Stimmen in der Hauptversammlung in der Hand einer Person oder einer zusammengehörigen Gruppe vereinigen. Die Finanzierung erfolgt ausschließlich über Werbung; fünf Prozent der Bruttoeinnahmen wären an den bayerischen Staat abzuführen. Uber das Programm entscheiden soll ein zehnköpfiger Beirat, dem je drei Vertreter der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber sowie je zwei Vertreter der freien Berufe und der Wissenschaft angehören.

Neben verschiedenen Auflagen für Krieg- und Notzeiten soll der Sender auch verpflichtet werden, den im Landtag vertretenen Parteien — gemessen an ihrer Fraktion,sstärke — bis zu 60 Minuten im Monat gratis zur Verfügung zu stellen. Gravierender als dieser vorderhand mehr taktisch als konkret gemeinte Neuaufguß der Saarbrückener Initiative, die bis jetzt noch zu keiner Komzessio- mierung geführt hat, ist der CSU- Vorstoß auf das bayerische Rundfunkgesetz mit wesentlichen Änderungen im. Rechtsbereich des Rundfunkrates, des Intendanten, der Einzelredaktionen sowie der Kooperation in der Arbeitsgemeinschaft deutscher Rundfunkanstaiten (ARD). Hauptanigrdlfszdel ist der Rundfiunk- rat, ein 41köpfiges Gremium mit der Funktion der Intendantenwahl und Etatkontrolle, das sich bisher überwiegend aus Standesvertretungen und Organisationen, wie etwa dem Bauernverband, und nur zum kleinen Teil aus Partei delegierten zusammensetzte. Entsprechend den

Verhältnissen im Norddeutschen und Westdeutschen Rundfunk, sollen nun die Mitglieder des Rundfunkrates künftig ausschließlich von den politischen Parteien nach dem Verhältnis ihrer Stärke im Landtag gewählt werden.

Von dieser an die Stelle des Ständeprinzips tretenden politischen Gliederung erwarten sich die Initiatoren eine stärkere FraktdonSbiidung, die sich im Zeichen der jetzigen Parteienkonstellation und hei vermehrten Kompetenzen und Mitspracherechten eindeutig zum Vorteil der CSU auswirken dürfte. Wohl im Hinblick auf die 1972 fällige Intendantenwahl sollen auch die Rechte dieses Amtes beschnitten und stärker an den Verwaltung^- und Rund- funknat gebunden werden. Der Intendant und die leitenden Mitarbeiter könnten nach dem neuen Vorschlag viel leichter als bisher ausgewechselt werden. Ferner ist beabsichtigt, in einer extensiveren Weise als schon bisher praktiziert, das gemeinsame Programm der ARD abzuschalten und ganz ‘allgemein das Verhältnis zur Arbeitsgemeinschaft lockerer zu gestalten.

Einschneidend werden auch die Regeln kritischer Kommentare und Sendungen umformuliert. An die Stelle der bisher in gewissen Grenzen garantierten „persönlichen Meinung” soll nach dem neuen Konzept die erheblich unverbindlich-verbindlichere „redaktionelle Meinung” treten.

Dem Entwurf, der von Strauss, Stücklien und dem Fraktionsvorsit- zenden Huber favorisiert wird und sich im wesentlichen auf Vorschläge der „Studiengesellschaft für staatspolitische Öffentlichkeitsarbeit” im unterfränkiischen Amorbach stützt, stehen massive politische Einwände der SPD und FDP gegenüber und selbst innerhalb der CSU ist die Meinung noch sehr geteilt.

Die SPD lehnt „aus grundsätzlichen Erwägungen die Errichtung privater Rundfunk- und Fernsehanstalten kategorisch ab” und will gegebenenfalls sogar mit einem Volksbegehren die „Parteifunk”-Pläne der CSU zunichte machen. Ihre Argumente leiden allerdings darunter, daß die eigenen Parteigenossen in Hamburg und Köln den von der CSU angestrebten Parteiproporz im Rundfunkrat weidlich zu ihrem Vorteil ausnutzen. Auch, daß einer der prominentesten SPD-Landtagsahgeord- neten Bayerns, der IG-Metaller Essl, unverhohlen und in aler Öffentlichkeit von den Möglichkeiten eines privaten Riundfuniks, der von den Gewerkschaften und der Bank für Gemeinwirtschaft gesponsert werden könnte, spricht, zeigt deutlich, daß auch Kreise innerhalb der SPD den Monopolplanspruch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt aufzugeben beginnen.

Die FDP macht kein Hehl daraus, daß über kurz oder lang auch sie mit dem privaten Radio rechnet und dieses im lotoąlen und regionalen Bereich bei ausgewogener Repräsentanz unter Umständen sogar befürwortet. Die Einwände (Kommerzialisierung, Programmverflachung), die vor allem von Frau Hamm-Brücher vorgebracht werden, scheinen deshalb nur bedingt und vorläufig anerkannt zu werden.

Mit absoluter Mehrheit dm Landtag ausgestattet, ist die CSU jederzeit imstande, die Bedenken ihrer Gegner vom Tisch zu wischen. Das Hin- ausizögem einer Entscheidung zeigt jedoch, daß die Willendbi klung innerhalb der eigenen Partei noch keineswegs abgeschlossen ist. Intendant Wallenreiter weist darauf hin, daß sein Sender je nach Optik als „Schwarzfunlk” oder „Ratfunk” bezeichnet wird. Sein mutmaßlicher Nachfolger, der jetztlge Staatssekretär Vöflh, der über beachtlichen Rückhalt in der Fraktion verfügt, stemmt sich energisch gegen jeden Abbau künftiger Kompetenzen. Kirchliche Kreise sowie Vertreter von Jugendorganisationen haben sich betont gegen die Einführung eines Privatfunks ausgesprochen.

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