6780018-1969_39_07.jpg
Digital In Arbeit

Keine deutschen Revolutionen

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Wahlanalyse im Magazin des Zweiten Deutschen Fernsehens, der wie den vorangegangenen Befra- gungsergebnisse des Instituts für Demoskopie zugrunde geleigt wurden, bestätigte 18 Tage vor der Bundestagswahl, daß bei allem vorhandenen Unbehagen drastische Änderungen in den gegenwärtigen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland nicht gewünscht werden. Darin waren die Anhänger der drei Bundestagsparteien Christlich- Demokratische/Christlich-SozialeUnion (CDU/CSU), Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) und Freie Demokratische Partei (FDP) und nicht zuletzt die Jungwähler, die zum erstenmal zur Wahl gehen, einig. Auch die jüngsten Stimm-, berechtigten” lehnten mit absoluter Mehrheit dis Forderung der sogenannten Außerparlamentarischen

Opposition (APO), die bestehende Ordnung revolutionär umzukrempeln, ab: 54 Prozent; knapp 30 Prozent waren dafür. Von den CDU/CSU- Anhängem sind 75 Prozent, von den SPD-Wählem 67 Prozent gegen radikale Reformen. Dahinter steckt, wie auch schon frühere Berichte gezeigt haben, nicht zuletzt die Sorge vor einer neuen autoritären Entwicklung. Hinzu kommt die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage und der Besitzgerechtigkeit. Daß Besitz und Einkommen gerecht verteilt sind, glauben 69 Prozent der CDU/CSU-Anhänger und 58 Prozent der FDP-Anhänger; nur jeweils ein Fünftel und ein Drittel der Anhänger der beiden Parteien erachten die Besitzverhältnisse als reformbedürftig. Die SPD erscheint gespal- s tehr’46 Prožent sakerf”„gėrechtw und 43 Prozent „ungerecht”.

Ein anderes Ermittlungsziel der Studie war die Vorstellung der Wähler von den drei Bundestagsparteien, vor allem, ob sie noch als politische Gemeinschaften mit differenzierten Programmen empfunden werden. Bei den Unionsparteien betrachten 72 Prozent die Sicherung der Arbeitsplätze als Anliegen ihrer Partei. 66 Prozent waren dafür, daß Gesetz und Ordnung respektiert und die Ordnung aufrechterhaltem wird. An dritter Stelle stand die militärische Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Von den SPD-An- hängem waren 81 Prozent überzeugt, daß ihre Partei vor allem die Arbeitsplätze sichern wolle, fast ebensoviel davon, daß es ihr um soziale Gerechtigkeit für Arbeitnehmer gehe. Sie wirke Preissteigerungen entgegen, unternehme Entspannungsversuche in der Ostpolitik und wolle das Bildungsproblem anpak- ken. Bei den FDP-Anhängern spielen soziale Probleme eine untergeordnete Rolle. 73 Prozent nannten bevorzugt die Entspannung im Osten, gefolgt von der Annäherung zwischen beiden Teilen Deutschlands, Gesetz und Ordnung im Inneren und Aktionen, die das Bildungsproblem beseitigen. Die SPD hat in allen Fragen der Sozialpolitik noch ein spürbares Übergewicht (80 Prozent ihrer Wähler). Der CDU/CSU wurde das Bemühen um militärischen Schutz von ihren Anhängern zu 62 Prozent honoriert; die SPD erhielt von ihren Anhängern nur 38, die FDP von den ihren gar nur 31 Prozent. Von der FDP glauben ihre Anhänger am häufigsten, daß sie eine Entspannung im Osten anstrebe, daß sie den Obrigkeitsstaat bekämpfe und die Wirtschaft von staatlichen Eingriffen freihalten möchte. Nach dem Gesamteindruck heben sich die drei großen Parteien in wesentlichen Bereichen der Politik deutlich voneinander ab, sind also keineswegs beliebig auswechselbar.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung