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Und Kultur und Wissenschaft?

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Die Kulturhoheit liegt in der BRD bei den Ländern. Der bayerische Freistaat ist sehr bedacht auf dieses Recht und füllt es auf seine eigene Art aus. Die von Kultusminister Dr. Ludwig Huber vor zwei Jahren begonnene „Bildungsoffensive“ hat in diesem kurzen Zeitraum bereits au tiefgreifenden Wandlugen geführt. Die lange vernachlässigte Landschulreform wurde in Angriff genommen; nur das neunte Volksschuljahr erleidet eine Verspätung. Auch der Schulhausbau wird heuer gedrosselt; lediglich schon begonnene Objekte werden weitergeführt.

Weniger betroffen von der Malaise der Staatsfinanzen ist das Wissenschaftswesen. Die Regierung, die sich auf eine großangelegte Wissenschaftspolitik festgelegt hat, fördert, die großen Projekte zielstrebig. So wird die vierte Landesundversität in Regensburg weiter ausgebaut. In einigen Disziplinen wird der Lehrbetrieb noch im kommenden Wintersemester aufgenommen. Man hofft, daß vor allem die überfüllte Universität in München dadurch entlastet wird. Für eine wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Hochschule in Augsburg werden die Pläne fertiggestellt werden. In Erlangen, wo die Industrieforschung besonders gepflegt wird, entstehen neue Räume. Das Klinikum in München-Groß-hadern wird abschnittsweise weitergebaut. Einen Schritt ins Neuland wagt die Staatsregierung schließlich mit der Errichtung einer medizinischen Fakultät an der Technischen Hochschule in München, wobei die städtischen Krankenhäuser dieser Fakultät zugeordnet werden Die bestehenden Hohen Schulen und wissenschaftlichen Institute erhalten nach wie vor die immensen Mittel, die für einen modernen Lehr- und Forschungsbetrieb nötig sind.

In summa kann das neue Regierungsprogramm als nüchtern bezeichnet werden. Populär ist es gewiß nicht, wohl aber verantwortungsbewußt. Die Opposition fand denn auch wenig Ansatzpunkte einer Kritik. Volkmar Gabert, der Landesvorsitzende und Fraktionsführer der SPD, warf der Regierung auch in erster Linie angebliche Sünden der Vergangenheit vor. Entschieden erhob er die Forderung, die christliche Gemeinschaftsschule als Regelschule einzuführen (jetzt ist das die katholische beziehungsweise evangelische Bekenntnisschule). Die Entwicklung im sozialen Wohnungsbau nannte der Politiker „katastrophal“. Anstelle der geplanten 7000 forderte die SPD 20.000 bis 25.000 Wohnungen für 1967. Goppel erklärte sich in einer Entgegnung hiezu gerne bereit, wenn die Opposition für die nötigen Finanzmittel sorgen würde.

Der Fraktionsvorsitzende der NPD, Pöhlmann, kritisierte vor allem die Versäumnisse, deren sich die Regierung in der Vergangenheit schuldig gemacht habe. Die wirtschaftliche Lage sähe dann heute anders aus. Stürmische Proteste sowohl von CSU wie von SPD erntete der Abgeordnete mit seiner Aufforderung, die nationalen Interessen der Heimatvertriebenen nicht zu vergessen, wobei er den anderen Parteien unterstellte, sie hätten in dieser Hinsicht nichts vorzuweisen. Der Ministerpräsident wies unter starkem Beifall der beiden großen Parteien darauf hin, daß sich die demokratischen Parteien bereits 1946 der Vertriebenen angenommen haben — als es eine NPD gar nicht gab. Der Konsens von CSU und SPD gegenüber den demagogischen Parolen der Nationaldemokraten war im übrigen die wohl wertvollste Erkenntnis der allgemeinen Aussprache zur Regierungserklärung. Sollte sich die NPD auch in den Ausschüssen törichter nationalistischer Parolen bedienen, wird sie den gemeinsamen Widerstand der demokratischen Parteien finden. Für Unbelehrbare gibt es enge Grenzen.

Die FDP, die nicht mehr im Landtag vertreten ist, hat auch nachträglich nicht viel politisches Glück gehabt. Ihr Volksbegehren, mit dem die Gleichstellung von Bekenntnis-und Gemeinschaftsschule erreicht werden sollte, ist knapp gescheitert. 9,4 Prozenit der Bevölkerung haben dafür gestimmt; 10 Prozent wären erforderlich gewesen.

Immerhin wird dadurch die Debatte um diese schwierige Frage nicht beendet. Eher ist das Gegenteil anzunehmen. Aber das Raufen liegt den Bayern im Blut. Man wird daher noch einiges zu hören bekommen.

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