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Trotz und Trutz im Exil

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Die Ergebnisse der letzten Land-tagswahlen scheinen das parlamentarische Fiasko der NPD nahezu endgültig besiegelt zu haben. Nach dem Scheitern in Niedersachsen und Hessen hat nun auch der — mit rund 8000 von insgesamt 25.000 Mitgliedern — stärkste und kompakteste Landesverband in Bayern seine für das Verbleiben im Landtag notwendige Wähleranzahl verloren. Eine Niederlage, die der Landesvorsitzende der bayrischen NPD, Dr. Pöhlmann, recht einfach zu erklären wußte: „Mit den entliehenen Argumenten der NPD — außenpolitisch Kampf gegen die Verzichtspolitik, innenpolitisch Herstellung von Recht und Ordnung — gewann Strauß die Bayernwahl. Die Richtigkeit und Zugkraft der NPD-Aussage wurde dadurch nur bestätigt.“ Und der Bundesvorsitzende von Thadden tröstete das Millionensechstel Unentwegter mit den Worten: „Ihr Lohn ist die Gewißheit, dem verirrten Zeitgeist getrotzt zu haben, weil es um Deutschland geht.“

Genau diesen Trotz und Trutz will die NPD jetzt im Parlamentsexil als Durchhalteparole ausgeben: „Widerstand ist das Gebot der Stunde! Widerstand ist Gewissenspflicht!“ So schlössen die beschwörenden Aufrufe, die der Parteichef in den letzten Wochen über das Parteiorgan „Deutsche Nachrichten“ an seine Gefolgsleute richtete. Die unter spektakulären Umständen kurz vor den Hessenwahlen in Würzburg gegründete „Aktion Widerstand“ ist für eine solche Haltung Symbol und Motor zugleich. In diesem rechtsextremen Plagiat der Sammlungsbewegung von Franz Josef Strauß

finden sich unter der Vorherrschaft der NPD fast zwei Dutzend Gruppen und Grüppchen zusammen, die auf besondere Weise der „Bonner Koalition des Verzichts und des Ausverkaufs der nationalen Interessen“ entgegenwirken wollen. Bei den in der fränkischen Metropole ausgegebenen Femeparolen, wie „Brandt an die Wand“, dürfte es sich zwar zumindest vorerst noch um Randerscheinungen handeln. Weit symptomatischer scheint das Gesamtbild, das die 3000 in Würzburg vermittelten und das nur zu gut in das Klischee hineinpaßt, dem sich die NPD in den letzten Jahren mit mehr oder weniger Geschick zu entziehen versuchte. Hier in der Frankenhalle wurde unter Berufung auf Gott und Vaterland zum Schwur aufgerufen, keine Handbreit deutschen Bodens preiszugeben; hier entstand ein Gruß, bei dem drei ausgestreckte Finger das

„W“ für Widerstand symbolisieren; hier begann der Umlauf eines Abzeichens, das mit goldenem „W“ auf rotem Grund die Gesinnung des Trägers kenntlich macht; hier kam es schließlich zu einem „disziplinierten“ Aufmarsch, in dessen Verlauf unter den Augen der Polizei (aber ohne deren Eingreifen) linke Gegner verprügelt wurden.

Würzburg war ein Anfang. Wie die kommunistoide „Demokratische Aktion“ in München ermittelt haben will, hat die „Aktion Widerstand“ bereits ihre Mitarbeiter und Freunde aufgefordert, „örtliche Aktionsgruppen des Widerstandes“ zu bilden, um besser als bisher „jede Gelegenheit für Demonstrationen und Aktionen“ wahrnehmen zu können. Für den 12. Dezember sind in mehreren Städten der Bundesrepublik Kundgebungen gegen den Vertrag mit Polen vorgesehen.

Was im Zeichen des kantigen „W“ geschieht und noch geschehen soll, hängt nur zum Teil von den Restaurationstendenzen der mittleren und älteren Parteigenerati#n ab. Es sind in einem nicht zu unterschätzenden Maße die Jungen, die als treibende Kraft in Erscheinung treten. Wenn der stellvertretende Bundesvorsitzende Pöhlmann nach dem vernichtenden Mißerfolg in Bayern schreibt, daß nun bei der „mit aller Energie“ fortgesetzten Tätigkeit der Schwerpunkt auf der Jugendarbeit liegen werde, dann ist dies nicht nur reines Wunschdenken. Der harte Kern dieser Jugendlichen von 15 bis 25 Jahren, der unter den etwa 3000 Mitgliedern der „Jungen Nationaldemokraten“ zu finden ist, hat schon in den letzten Monaten unter ihrem Bundesvorsitzenden Rau eine rege Tätigkeit entfaltet. Auffällig ist hier das Bestreben, der Partei einen ideologischen Gehalt zu geben. Das einzelne Mitglied — so Rau — muß in sämtlichen wichtigen Belangen wissen: „Du bist auf dem einzig richtigen Weg“. Ansätze zu einer solchen allumfassenden ideologischen Weltanschauung, mittels derer auch eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Nationalismus möglich sein soll, sehen die jungen Par-teidoktrinäre in der anthropologischen Forschung — vorausgesetzt, sie werde noch „politisch aufgefüllt“. Werke von Konrad Lorenz und Eibl-Eibesfeldt haben einen bevorzugten Platz auf ihrem Büchergestell. Die Autoren Schrenck-Notzing, Armin Möhler und Arnold Gehlen helfen ihnen, den Grundgedanken der „konservativen Revolution“ näher zu umreißen. Auf politischer Ebene sehen die jungen Nationaldemokraten ihre Chancen ziemlich nüchtern: „Solange die Linkskoalition in Bonn besteht, ist für uns nichts drin. Nur durch ganz systematische Arbeit können wir darauf hinwirken, wieder überall die Fünfprozenthürde zu überwinden.“ Obwohl es zu Ihrem erklärten Ziel gehört, das kommunistische Weltbild zu zerstören, machen sie bei der gegnerischen Taktik ungeniert Anleihen. Maos „langer Marsch“ wird als Parole der nächsten Jahre ausgegeben; die Demonstrationstechnik der Linken soll unter dem Schirm der liberali-sierten Demonstrationsgesetzgebung übernommen und perfektioniert werden. Wir wollen „härter und offensiver sein als bisher“. Aber — und das ist ein typischer Zug der NPD, die sich nicht als außer- oder anti-, sondern als „vorparlamentarische Opposition“ sieht: „Die guten Kontakte zur Polizei sollen darunter nicht leiten. Wir brauchen die Polizei.“

Es steht außer Zweifel, daß. die jungen Nationaldemokraten mit ihren Parolen vom „starken Staat“ und von „Disziplin und Ordnung“ eine gewisse Schicht Gleichaltriger ansprechen und oft geradezu faszinieren. Die NPD ist durch die Landtagswahlen weitgehend von der parlamentarischen, nicht aber von der politischen Bühne der Bundesrepublik abgetreten. Als' „vorparlamentarische Opposition“ könnte sie — extremer geworden — auch in Zukunft beachtliche Unruhe erzeugen.

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