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Flagge zeigen

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Der Abschluß des Grundvertrages zwischen der Bundesrepublik und der DDR wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Damit ist die Außenpolitik wieder in die deutsche Wahlkampfarena getragen worden — und hat gerade Außenseitergruppen rechts oder links wieder mit Argumenten pro und kontra die Ostpolitik versorgt. Denn gerade zwei kleine Parteien, die mit Sicherheit keinen ihrer Kandidaten im nächsten Deutschen Bundestag sehen werden, könnten die Wahlen in der Bundesrepublik entscheiden: NPD und DKP könnten CDU/CSU beziehungsweise der SPD jene Stimmen wegnehmen, die sie für eine deutliche Mehrheit und damit für eine Uberwindung des innenpolitischen Patts brauchen.

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Der Abschluß des Grundvertrages zwischen der Bundesrepublik und der DDR wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Damit ist die Außenpolitik wieder in die deutsche Wahlkampfarena getragen worden — und hat gerade Außenseitergruppen rechts oder links wieder mit Argumenten pro und kontra die Ostpolitik versorgt. Denn gerade zwei kleine Parteien, die mit Sicherheit keinen ihrer Kandidaten im nächsten Deutschen Bundestag sehen werden, könnten die Wahlen in der Bundesrepublik entscheiden: NPD und DKP könnten CDU/CSU beziehungsweise der SPD jene Stimmen wegnehmen, die sie für eine deutliche Mehrheit und damit für eine Uberwindung des innenpolitischen Patts brauchen.

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Die NPD verhindert mit ihrem diesmal bundesweit geführten Wahlkampf, daß die Unionsparteien auch jetzt die bei den jüngsten Landtagswahlen meist aufgegangene Rechnung anstellen dürfen, daß sie den Großteil des Erbes der einst die Bundesrepublik und das Ausland in Aufregung versetzenden Partei Adolf von Thaddens antreten können. Noch in Baden-Württemberg wurde diese Hoffnung erfüllt. Die NPD war erst gar nicht angetreten und hatte sich für die CDU ausgesprochen, ohne daß diese die Empfehlung zurückgewiesen hätte.

Die DKP stellt auf der anderen Seite für die SPD eine unbekannte Größe dar, von der niemand genau sagen kann, wieviel Stimmen sie auf sich vereinigen kann: 1969 war sie noch nicht als Ersatz für die nach wie vor verbotene KPD gegründet worden. Damals erstritt das auf der äußersten Linken angesiedelte Wahlbündnis „Aktion Demokratischer Fortschritt“ nicht einmal ein Prozent der Wählerstimmen. Sollte die DKP diesmal ein darüber hinausreichendes Ergebnis erzielen, so ist es sicher das SPD-Wählerreservoir, aus dem sie ihren Stimmenzuwachs bezieht.

So nimmt es nicht wunder, daß das Treiben der beiden kleinen Parteien rechts- und linksaußen von den großen Parteien mit Argusaugen verfolgt wird. Für die NPD bedeutet dies, daß sie noch einmal eine weit über ihren eigentlichen Stellenwert hinausgehende Beachtung findet. Denn diese Partei ist seit 1969 sichtbar auf dem absteigenden Ast. Noch im damaligen Bundestagswahlkampf war sie die große Unbekannte, verbreiteten ihre Schlägertrupps und Saalschutzgruppen Aufregung und Schrecken und schienen manchem Beobachter wie Vorboten eines neuen nationalsozialistischen Deutschlands. Die Wahlniederlage — die NPD blieb unter der Fünfprozentgrenze und stellte damit keine Bundestagsabgeordneten — markierte im Herbst 1969, daß die NPD nach glücklich überstandener Wirt-schaftsflaute in der Bundesrepublik nicht mehr genügend Unzufriedene fand, die sich auf ihren rechten Kurs einlassen wollten. Auch die folgenden Wahlen in den Bundesländern waren jeweils nur noch Meilensteine des Abstiegs. Uberall flog die NPD

aus den Parlamenten und in Baden-Württemberg trat sie erst gar nicht an. Der Rücktritt Adolf von Thaddens und ein rapider Mitgliederschwund markierten dazu die innerparteiliche Auszehrung.

Um so überraschender kam es eigentlich, daß sich die NPD unter der Formel „Jetzt hilft nur noch NPD“ in den Bundestagswahlkampf stürzt. Dieses Engagement deutet eine in den letzten Monaten erfolgte Konsolidierung dieser Partei an, deren Mitgliederzahl nunmehr auch wieder auf 25.000 angestiegen ist. Es zeigt aber auch, daß sich diese Partei durch die Enthaltung der Unionsparteien bei der Abstimmung über die Ostverträge einigen Erfolg bei jenen Gruppen verspricht, die diese Verträge nach wie vor scharf ablehnen. So tritt die NPD auch unter dem Schlagwort „Die deutsche Rechte“ an und gibt sich betont als Sammelbecken aller nationalen und konservativen Kräfte rechts von CDU und CSU.

Die Argumentation im Wahlkampf richtet sich vor allem gegen die Ostverträge.

Die DKP greift im Wahlkampf zwar auch Regierung wie Opposition heftig an und weiß vor allem gegen die Unionsparteien manch heftige Attacke zu reiten. Und wenn sie auch die SPD offen des „ Verrats an der Arbeiterklasse“ beschuldigt, so wollte sie doch erst in jüngster Zeit dieser Partei Wahlhilfe zukommen lassen. Die Empfehlung an ihre Wähler, die Zweitstimme an die SPD zu geben, hätte nämlich im Endeffekt bedeutet, daß die DKP-Wähler die SPD gewählt hätten.

Denn in der Bundesrepublik, wo die Wähler eine Erststimme für einen Kandidaten ihres Wahlkreises und eine Zweitstimme für eine Partei haben, entscheidet über die Verteilung der Sitze allein die Summe der Zweitstimmen. Hätte die SPD diese Wahlempfehlung unwidersprochen hingenommen, so hätte die DKP mit dem einen oder anderen Direktkandidaten, der viele Erststimmen auf sich vereinigen konnte, einen Prestigeerfolg errungen, zugleich aber der SPD keine wichtige Stimme aus der Gruppe der Randwähler weggenommen. Die SPD hat diese Wahlempfehlung — anders als 1966 die SPÖ in Österreich — jedoch zurückgewiesen. Sie verband dies jedoch mit der Aufforderung an CDU und CSU, Ähnliches auch gegenüber der NPD zu tun, die freilich keine solche Empfehlung an ihre Wähler gegeben haben.

Damit hat die DKP die Chance, der SPD wertvolle Stimmen wegzunehmen. Allerdings rechnet sie selbst nicht mit allzuviel Stimmen. Ihr geht es in diesem Wahlkampf vor allem darum, „Flagge zu zeigen“. Den Arbeitern in jenen Betrieben, in denen die DKP mit ihren 500 Betriebszeitungen agitiert, sollen merken, daß sich diese Partei eben nicht nur an der Basis rührt. Erfolge bei der Kommunalwahl in Hessen, wo sie vor allem durch die Unterstützung junger Wähler zwei Mitglieder in den Stadtrat von Marburg entsendet, geben dabei der DKP das Gefühl, nicht nur einen „Schaukampf“ abzuziehen und vielleicht merklich die Einprozentgrenze zu überspringen.

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