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In provinzieller Stille

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So kam es, daß die 621 Delegierten und 500 oft martialisch dreinfolicken-den Ordner der NPD ihre „Selbstdarstellung vor der Weltöffentlichkeit“ in unverhofft provinzieller Ruhe abwickeln konnten. Die mehrere Hundertschaften starke bayrische Bereitschaftspolizei mit ihren mitunter durch Stacheldrahtrollen ergänzten Absperrungen hatte leichtes Spiel, die Handvoll einheimischer DGB-Protestler und plastikhelm-bewehfrer ÄPÖ-Leute — meistens Scfiüfer'i*im8 dmna statten m>rt allzu groben Tätlichkeiten abzuhalten.

Die Tagung selbst hatte offenbar drei Ziele. Einmal sollte die verfassungsmäßige, demokratische Grundhaltung der Partei aufgezeigt, zum anderen die innenpolitische Notwendigkeit der NPD bewiesen und zum dritten ihre weltpolitische Bedeutung ins rechte Licht gerückt werden. Zur hieb- und stichfesten Demonstration der Grundsatzitreue und Volkssouveränität waren gleich zwei Redner angetreten: der stellvertretende Bundesvorsitzende Dr. LamJcer aus Düsseldorf und der Parteikronjurist Dr. Huber aus München. Lam-ker wandte sich scharf gegen die Parteien und Masseinkommunikationsmittel, die „im Bewußtsein ihrer Macht noch glauben, ungestraft die 'National demokfaufsehe Partei, ihre MifllMedetv Jägar dhretÄhhänger,! unter Ausnahmebedingungen stellen zu können“. Er bekräftigte noch einmal das Vorhaben seiner Partei im nächsten Bundestag eine Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes zu beantragen, wonach dann politische Parteien selbst Anträge auf Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit stellen können.Auch Rechtsanwalt Huber schlug in diese Kerbe, als er „stolz“ unter dem Beifall der Versammelten feststellte, daß dieser Staat in der NDP einen „aufrichtigen und mutigen Hüter des Grundgesetzes“ gefunden habe. Für die NPD schließe dieses Bekenntnis die Bereitschaift ein, ,4m demokratischen Verfahren, durch geistige Auseinandersetzung unter Ausschluß jeder Gewalt und Willkür das Grundgesetz gegen seine Feinde oder diejenigen, die es zu mißbrauchen versuchen, zu verteidigen“.

Die Forderung Hubers, daß „nur eine nationale Politik, als dem wichtigsten Ziel der NPD den Erfordernissen einer freiheitlichen Grundordnung nach unserem Grundgesetz gerecht werden könne“, versuchte der stellvertretende Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende der NPD im bayrischen Landtag, Dr. Pöhl-mann, ausführlich zu beweisen. In seinem emotionsgeladenen und beifallgespickten Referat über die „Herrschaft der Scheinheiligen“ verdammte er praktisch alles, was andere politische Richtungen seit Kriegsende in Deutschland bewirkt hatten. Seit Jahrzehnten sei eine riesige Maschinerie der Massenbeeinflussung pausenlos damit beschäftigt, in einer grotesken Schwarzweißmalerei darzutun, was alles doch in dieser Welt nicht in Ordnung sei, und zwar auf Grund eines kausalen Verhältnisses zu dem, was Deutsche in der Vergangenheit getan hätten. „Wir Deutsche sind nicht länger bereit, uns noch länger wie ein geprügelter Hund vor einem künstlich errichteten Postament heuchlerischer Selbstgerechtigkeit in den Staub zu!Mferr*'MPei der Normalisierung der politischen Verhältnisse in Deutschland“ wolle nun die NPD — wie anderswo andere Parteien auch — nationale Politik betreiben. Pöhlmann ließ bei seiner Argumentation bewußt das Moralische in der Politik als Utopie erscheinen, und so mußte man zwangsläufig bei seiner Rede zu dem Schluß kommen, daß die Herrschaft der Scheinheiligen nur deshalb falsch war, weil sie sich nicht genügend national gebärdete.

Das Referat von Thaddens schließlich wirkte wie ein Versuch, sich seinen Leuten als Staatsmann von weltpolitischem Format anzubieten. In einer Panoramaschau entwarf er das Bild von einem Deutschland, dag mit einer verteidigungsbewußten Armee, einer tüchtigen Polizei und Justiz, durch ein zentrales Bildungssystem zufriedengestellten Studenten, national gesinnten Arbeitern und Angestellten sowie einer treuen Beamtenschaft unentwegt für einen Friedensvertrag und eine Wiedervereinigung arbeitet, kommunistische Einflüsse ausschließt, aber mit Rußland wieder traditionell gute Beziehungen anknüpft, mit dem neuen China eng zusammenwirkt und insgesamt mit unbeinrter Friedenspolitik zur bestimmenden Kraft in einem starken, die USA weitgehend ausklammernden Europa wird. Zum Schluß seiner anderthalbstün-digen Rede fühlte sich Thadden noch bemüßigt, zu den persönlichen Angriffen Stellung zu nehmen, die im Zusammenhang mit dem Buch Winters gegen ihn erhoben worden waren. Nachdem er sich bereit erklärt haltte, auch künftig im Dienste seiner Partei alle Verleumdungen „stoisch“ auf sich zu nehmen, umbrandete ihn minutenlanger Applaus. Dieser bewies ihm hinreichend, daß er trotz das für ihn wohl gefährlichen langen Beifalls, den Pöhlmann am Morgen erhalten hatte, noch immer unbestrittener Führer“ der NPD war. In einer abschließendem Pressekonferenz bezifferte er die Kasten der Kampagne für die Bundestagswahlen mit ungefähr 10 Millionen DM. Am 10. Mal soll ein Wahlkongreß stattfinden, bei dem das Wahlprogramm beraten und verabschiedet wird. Den Wahlsieg seiner Partei im September veranschlagte v. Thadden mit 8 bis 12 Prozent.

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