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Linke „Neue Rechte

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Der Bruch des radikalen NPD-Flügels mit der eher nationalkonservativen Tendenz der Parteiführung und breiter Stammschichten, der sich schon drastisch auf dem Holzminde-ner Bundesparteitag abzeichnete, ist nach dem Landesparteitag der NPD Bayerns auch organisatorisch zum Faktum geworden.

Dr. Siegfried Pöhlmann, bis zum vorigen Sonntag Landesvorsitzender der bayrischen Nationaldemokraten und Exponent der Radikalen innerhalb der Gesamtpartei, hat sich seiner voraussehbaren Wahlniederlage dadurch entzogen, daß er nach einer fast dreistündigen Rechtfertigungsrede — er wertete darin die Ohrfeige, die sein Parteifreund Gislo dem Bundeskanzler Brandt gab, als sinnvolle politische Aktion — seinen

Austritt aus der NPD und die Gründung einer Sammelvereinigung .Aktion Neue Rechte“ ankündigte, aus der später eine nationalistischsozialistische Wählerpartei werden soll. Knapp 40 der insgesamt 130 Delegierten und etwa 400 der aus allen Teilen der Bundesrepublik herbeigeeilten Gäste, die schon vorher als lautstarke „Pöhlmann-Kulisse“ fungiert hatten, verließen daraufhin das Schwabinger-Bräu.

Am Nachmittag vollzog sich dann unter Vorsitz von Pöhlmann und der ehemaligen NPD-Landtagsabgeordneten Richter und Heinze in den Augustiner-Bierhallen die Gründungsversammlung der „Aktion Neue Rechte“ (ANR), die sich offenkundig stärker mit gewissen Entwicklungen im Ausland, wie etwa dem ordre nouveau in Frankreich und dem MSI in Italien, liieren möchte. Die meist jugendlichen Teilnehmer verabschiedeten dabei eine Resolution, in der ein europäischer Nationalismus auf sozialistischer Grundlage propagiert wird. Unter Abgrenzung von der „bürgerlichkonservativen Rechten'“, und den „Marxisten“ und „liberalen Opportunisten“ auf der Linken, plädierten sie dafür, den Kapitalismus als Herrschaftsform zu verurteilen und das „nicht unantastbare“ Privateigentum an Produktionsmitteln dem Wohle der Nation zur Verfügung zu stellen.

Pöhlmann, der am Morgen dazu aufgerufen hatte, notfalls Ordnungswidrigkeiten zu begehen, um Massen zu mobilisieren und damit zu dokumentieren, daß es in Deutschland auch noch „national denkende Menschen“ gebe, die vor irgendwelchen Ministrafen im Interesse ihrer politischen Uberzeugung nicht zurückschreckten, hat somit ein gewisses, vorläufiges Echo gefunden. Seine Anhängerschaft rechnet damit, daß sich im mitgliederstärksten Landesverband Bayern etwa ein Drittel und in der übrigen Bundesrepublik doch ein erheblicher Prozentsatz der NPD zu den neuen, radikaleren und vor allem für die Jugend „virulenteren“ Zielen der ANR bekennt. Für die Parteigründung wurde kein Zeitpunkt genannt, doch ist man anscheinend bemüht, für die Aktion so schnell wie möglich eine gewisse organisatorische Basis aufzubauen.

Die bayrische NPD, die sich nach dem Auszug Pöhlmanns den gemäßigten stellvertretenden Landesvorsitzenden Bachimann zum neuen Chef erkor, erhofft sich dagegen jetzt eine Konsolidierung und vermehrten Einfluß auf solche Schichten, die durch die bisherigen Praktiken abgeschreckt worden waren. Der potentielle Abfall durch die Pöhlmann-Sezession wird hier mit nur etwa einem Prozent der Mitglieder beziffert.

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