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Wachstum trotz Krise

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Spektakulär war im Herbst 1966 der Austritt des bayerischen NPD- Landesvorsitzenden Franz-Florian Winter, eines christlich-konservativen Handwerkers, aus der Partei, die er bei seinem Austritt schwer beschuldigte. Dennoch erhielt die NPD am 6. November 1966 bei der Landtagswahl in Hessen 7,9 Prozent und am 20. November 1966 bei der Labd- tagswahl in Bayern 7,4 Prozent der Stimmen. Sie war seither in zwei von zehn Landtagen vertreten.

Im Frühjahr 1967 erlebte die NPD eine schwere Krise. Der Vorsitzende Thielen versuchte, seinen Stellvertreter von Thadden und mehrere Spitzenfunktionäre wegen antidemokratischer Tendenzen und Schädigung der Partei auszuschließen. In dem Machtkampf zog aber Thielen bald den kürzeren, trat aus der NPD aus und gründete die „Nationale Volkspartei“. Die NPD, die bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus vom 12. März 1967 wegen geringer Chancen taicht kandidiert hatte, konnte jedoch nach dem 23. April 1967 in die Landesparlamente von Schleswig-Holstein (hier 5,8 Prozent der Stimmen) und Rheinland- Pfalz (hier 6,9 Prozent der Stimmen) einziehen. Am 4. Juni 1967 erhielt sie bei der niedersächsichen Landtagswahl 7 Prozent der Stimmen — in Niedersachsen konnte sie auf ein traditionell rechtsradikales Reservoir zurückgreifen, denn dort hatte in den fünfziger Jahren die 1952 vom Bundesverfassungsgericht verbotene „Sozialistische Reichspartei — SRP“ ihre Hochburg. Ein Schlag für die NPD war der Freitod ihres führenden Funktionärs und Ideologen Otto Heß im August 1967. Am 1. Oktober erhielt die NPD bei der Wahl zur Bremer Bürgerschaft 8,9 Prozent der Stimmen — dort war ihr ein Einbruch in Arbeiterkreise, die zuvor sozialdemokratisch gewählt hatten, gelungen.

Das Wahlergebnis vom 28. April 1968 in Baden-Württemberg — 9,8 Prozent — war das optisch beste, das sie bisher erzielt hatte. Sie ist nun in sieben von elf Länderparlamenten der Bundesrepublik Deutschland vertreten. In der parlamentarischen Arbeit zeigt sich freilich immer wieder, daß die NPD nur über ein äußerst geringes Reservoir von versierten Parlamentariern verfügt. Ihre Abgeordneten zeichneten sich weder durch positive Leistungen noch durch schlechtes Betragen aus — sondern meist durch parlamentarische Anträge von rührender Hilflosigkeit. In allen Landtagen ist die NPD isoliert. Keine der anderen Parteien, CDU CSU, SPD oder FDP, betrachtet sie als koalitionswürdig. Wenn eine der staatstragenden Parteien ebenso wie die NPD in Opposition zur Regierung steht — wie beispielsweise die CDU in Hessen und Bremen, die SPD in Schleswig- Holstein, Rheinland-Pfalz und Bayerti oder die FDP in Niedersachsen —, so lehnt die jeweilige demokratische Oppositionspartei jede Kooperation und Koordination mit der NPD ab.

Die entschiedene Haltung gegenüber der NPD nehmen auch die großen Arbeitnehmerorganisationen Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) und Deutscher Gewerkschafts bund (DGB) ein, die Unvereinbarkeitsbeschlüsse über gleichzeitige Mitgliedschaft in der Gewerkschaft und der rechtsradikalen Partei gefaßt haben. Die NPD hatte auf ihrem 3. Bundesparteitag im November 1967 in Hannover erstmals ein Programm beschlossen. Thadden, der langjährige Motor der Partei, wurde nun auch offiziell zum Parteivorsitzenden gewählt. Der Mitgliederbestand der NPD beträgt knapp 3000 (zum Vergleich: SPD etwa 750.000, CDU etwa 300.000, CSU etwa 90.000, FDP etwa 80.000).

Bemerkenswert ist auch eine Untersuchung über die Altersstruktur der Wähler. Es hat sich erwiesen, daß keineswegs die jüngeren Jahrgänge am stärksten angesprochen werden. Die weitaus stärkste Resonanz findet die NPD bei den heute etwa Fünfundvierzig- bis Fünfundfünfzigjährigen, also bei jenen, die als junge Menschen das Dritte Reich erlebt hatten und die sich nach 1945 durch einschneidende Entnazifizierungsmaßnahmen für ihre politischen Jugendsünden zu hart bestraft fühlten.

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