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Thadden uberspielte Thiehlen

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Denn obschon eigentlich nur „zweiter Mann“, verstand Adolf von Thadden es, sowohl innerparteilich als auch nach außen hin Thielen zu überspielen. Als Schriftleiter des Parteiorgans „Deutsche Nachrichten“ und rastloser Wahlwerber — allein vor der Bayernwahl trat er auf 22 Großveranstaltungen auf — wurde er in den Augen des nationalistischen Parteivolkes immer mehr zum ieigentlichen Führer. Und die TV-Leute des britischen, kanadischen und australischen Fernsehens wandten sich an ihn, wenn sie den neuen Führer interviewen wollten. Reisen ins Ausland, Einladungen zu Vorträgen nach Kanada

— die allerdings zurückgezogen wurden — und schließlich auch der unmittelbare Kontakt zu den NPD-Organisationen in den einzelnen Bundesländern stärkten seine Position nachhaltig. Als Thielen dann zuschlug, war es zu spät.

Daß freilich ausgerechnet zwischen zwei „Unbelasteten“ der erste echte Machtkampf innerhalb der NPD ausbrach, mag eigenartig und unerwartet anmuten. Und die Annahme, daß der Putsch Hintermänner hat, die auch heute noch im Verborgenen agieren, läßt sich nicht einfach von der Hand weisen. Schließlich waren sich Beobachter schon längst darin einig, daß es früher oder später zu einer ernsten Zerreißprobe kommen werde, zu einer Auseinandersetzung zwischen dem nationalkonservativen Flügel und den echten Rechtsextremisten. Kurioserweise zählte man aber sowohl Thielen als auch von Thadden ursprünglich ersterer Gruppe zu. Sollte es etwa, fragen somit aufmerksame Beobachter, Absicht der unsichtbaren Regisseure sein, vor einer offenen Machtergreifung die beiden Konservativen sich gegenseitig ausschalten zu lassen?

Gegen Thielen hat von Thadden die Oberhand behalten. Wer aber wird dann die NPD „führen“? Wer wird schließlich auch von Thadden aus der Führung verdrängen?

Die Möglichkeit, daß Friedrich Thielen seine Anhänger mit sich ziehen und solcherart bereits heute eine Spaltung der NPD durch Absplitterung der gemäßigten Nationalkonservativen verursachen könnte, ist zweifelsohne gegeben, wenngleich nur wenig Wahrscheinlichkeit dafür spricht. Sollte aber die Spaltung heute noch einmal vermieden werden, so müßte doch mit einer weiteren innerparteilichen Fraktionsbildung gerechnet werden. Denn nicht wenige Mitglieder und Wähler der NPD sind nicht zufrieden mit dem radikal-extremistischen Kurs jener, die heute vielleicht Thielen ausschalten können. Mehr als bisher sollte man daher künftighin versuchen, zwischen den aus diesem oder jenem Grund den Rattenfängern Aufgesessenen und ihren neuen Verführern zu differenzieren.

Wie tief die Kluft innerhalb der bisherigen Führungsgremien sein muß, läßt sich nicht zuletzt daran ermessen, daß sich die Machtkämpfe nicht mehr bis nach den Landtagswahlen in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein aufschieben ließen. Obwohl die Chancen der „neuen Rechten“ dadurch beträchtlich reduziert wurden. Oder sollten die Rivalen etwa der Hoffnung huldigen, auch der jetzige Machtkampf ließe die „Siegeschancen“ ungemindert, so wie der demonstrative Austritt Franz Florian Winters die NPD in Bayern nicht unter die 10-Prozent-Hürde zu drücken vermochte?

Wahrscheinlich wäre es verfehlt, bereits heute eine echte Spaltung der „neuen Rechten“ zu erhoffen. Doch der Zeitpunkt wird kommen, wo Thielen und vielleicht sogar von Thadden erneut gezwungen sein werden, sich um neue politische Heimstatt zu bemühen. Als ebenso „abgetrabte Leute“, wie von Thadden jene Männer bezeichnete, die einst die NPD begründeten. „Die Hunde bellen — doch die Karawane zieht weiter“ gab sich von Thadden einst während des bayrischen Wahlkampfes zuversichtlich. Und behielt recht. Ob dem Karawanenführer die Kamele weiterhin parieren werden?

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