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Hie Thielen hie Thadden!

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Als Adolf („Bubi“) von Thadden während des bayrischen Wahlkampfes vom Lokalblatt einer oberbayrischen Kreisstadt die Frage vorgelegt erhielt, „Wer denn nun eigentlich tatsächlich an den Schalthebeln innerparteilicher Macht eitzt“, warf er sich in Positur und bezeichnete sich selbst als „einen der Männer, die den Kurs der NPD bestimmen“. Die Frage indes, ob etwa auch er, der beispielsweise Willy Brandt als „Wehners Staffage-figur“ bezeichnete, eine Staffage-flgur sei für irgendeinen Hintermann, ließ er unbeantwortet.

Dabei war derlei Verdacht durchaus nicht unbegründet, waren doch von den 18 Mitgliedern des ersten NPD-Bundesvorstandes — wie „Der Spiegel“ einst ermittelte — „zwölf aktive Nationalsozialisten und Kreisleiter, Gauredner, SS-Junker oder SA-Führer dazu“. Angesichts eolch fundierter Zweidrittelmehrheit der ehemals (?) Braunen mag es zweifellos nicht ganz zufällig sein, daß ausgerechnet der erste und der zweite Bundesvorsitzende in dieser Beziehung eine fleckenlos weiße Weste hatten. Denn sowohl Friedrich Thielen (50) als auch Adolf von Thadden (45) galten zwar als „Nationalkonservative“, waren jedoch von brauner Vergangenheit frei. Und insbesondere Adolf von Thadden konnte sogar darauf verweisen, daß seine eigene Familie der Diktatur des braunen Braunauers Blutzoll zu entrichten hatte, starb doch eine Halbschwester des späteren NPD-Führers im KZ. Friedrich Thielen aber verkündete noch während der bayrischen Wahlnacht, er werde gegen Antisemitismus in seiner Partei radikal vorgehen und sich „von einigen wenigen“, die in dieser Hinsicht anders dächten, „in Zukunft befreien“.

Solange es galt, die NPD erst einmal „salonfähig“ zu machen, hielten sich weniger „Unverdächtige“ auch klug im Hintergrund, seit aber die NPD, von der man laut Gerichtsurteil behaupten darf, daß sie „als Nachfolgeorganisation der NSDAP gilt“, wie ein englisches Blatt schrieb, „den Fuß fest in der Tür zur deutschen Politik“ hat, drängen die Männer von vorgestern zur Spitze. Bereits beim Delegiertentreffen in Nürnberg sah sich Friedrich Thielen nach dem „Sieg in Bayern“ einem Parteirebellen gegenüber, der wider des Nicht-Nazis Führung lökte. Damals freilich ließ sich die innerparteiliche Einheit des buntscheckigen Haufens — wie es schien — noch einmal retten: Thielen schloß den Rebellen kurzerhand aus. Daß dies jedoch lediglich der Anfang jenes innerparteilichen Machtkampfes war, mit dessen Ausbruch Beobachter bereits während des bayrischen Wahlkampfes rechneten, zeigte sich ein Vierteljahr später: Als Adolf von Thadden im Handstreich das Amt eines NPD-Vorsitzenden von Niedersachsen okkupierte — unterstützt vor allem vom radikalen Flügel unter dem ehemaligen Gauredner Heß — reagierte Thielen erneut. Nachdem eine Feststellungsklage zur gerichtlichen Bestätigung der Ungültigkeit NPD-Thaddens Wahl führte, ließ Thielen auch seinen Stellvertreter wegen „parteischädigenden Verhaltens“ aus den NPD-Reihen ausschließen.

Nun freilich erlebte der „völkische Poltergeist“ („Spiegel“) eine herbe Enttäuschung: Thadden, entschlossen, das Feld nicht kampflos zu räumen, begegnete Thielens Einladung an den Bundesvorstand nach Bremen damit, daß er die Bundesvorstandsmitglieder seinerseits nach Hannover einberief. Und wenngleich man sich schließlich auf „neutralem“ Frankfurter Boden traf, mußte Thielen zur Kenntnis nehmen, daß er den Kampf verloren hatte. Thaddens Ausschluß wurde rückgängig gemacht, auch Otto Heß wird künftighin weiter als Schulungsleiter wirken .dürfen, dafür aber suspendierte der Bundesvorstand Thielen selbst und leitete überdies ein Ausschlußverfahren gegen ihn ein. Trotz der Ankündigung Thielens, er werde dagegen eine Feststellungsklage einbringen, dürfte er allerdings endgültig verspielt haben.

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