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Die CDU siegt weiter

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Die Landtagswahl in Schleswig-Holstein war, obwohl es sich nur um 1,8 Millionen Wähler handelte, die vielleicht wichtigste bundesrepublikanische Landtagswahl in der Ära der Regierung Brandt-Scheel: Niemals noch wurde der Kampf zwischen CDU und SPD mit solcher Erbitterung geführt, niemals noch war die Presse ein derartiges Engagement eingegangen.

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Die Landtagswahl in Schleswig-Holstein war, obwohl es sich nur um 1,8 Millionen Wähler handelte, die vielleicht wichtigste bundesrepublikanische Landtagswahl in der Ära der Regierung Brandt-Scheel: Niemals noch wurde der Kampf zwischen CDU und SPD mit solcher Erbitterung geführt, niemals noch war die Presse ein derartiges Engagement eingegangen.

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Ob die Springer-Presse, vor allem „Welt“ und „Bild“, ob „Der Spiegel“ — sie alle führten eine Art Kreuzzug, als hinge vom Ausgang der Wahlen das Wohl und Wehe der deutschen Bundesrepublik ab. Der Kampf erhielt auch deshalb so starke Akzente, weil er sich auf zwei Persönlichkeiten konzentrierte, auf den Spitzenkandidaten der SPD, den 48jährigen Karl Joachim Jürgen Steffen, allgemein .der „rote Jochen“ genannt, und den Spitzenkandidaten der CDU, den 43jährigen Gerhard Stoltenberg, von seinen Gegnern zum St. Oltenberg gestempelt. Schleswig-Holstein, Westdeutschlands größtes Agrarland, in dem nur 74 von 1000 Bewohnern in der Industrie tätig sind, schien für ein politisches Experiment geradezu prädestiniert zu sein. In Steffen besaß nun die SPD einen profilierten Sprecher ihres linken Flügels. Er gehört zwar nicht zu den Jusos, doch ruhten deren Hoffnungen auf ihm, und ihre Vertreter kamen aus der ganzen Bundesrepublik, um ihm zu helfen. Er forderte vor allem Steuererhöhungen, um die sozialen Aufgaben erfüllen zu können, einen Investitionsplan und die Verstaatlichung der Banken als Voraussetzung einer gesellschaftlich gelenkten Produktion, die wiederum unter der Kontrolle der Produzenten, das heißt der Arbeitenden, stehen solle. Letztlich geht es Steffen um die Veränderung der Gesellschaft, weil ihm die gegenwärtige noch zu sehr an der kapitalistischen Brofitvermehirung orientiert ist

Nicht nur wegen dieser Reformpläne zog sich Steffen den Zorn vor allem der Springer-Presse zu, sondern auch wegen etlicher Aussprüche über die NATO und die Ostpolitik. Selbst die auf ihren Ruf bedachte Hamburger „Welt“ ließ sich zur Äußerung hinreißen: „Wer Steffen wählt, sorgt dafür, daß Ulbricht eines Tages Kanzler wird.“

Die sozialdemokratische Rechte, von Münchens Oberbürgermeister Jochen Vogel bis zu Verteidigungsminister Schmidt, mied den Wahlkampf in Westdeutschlands nördlichstem Land, weil sie Steffens Ansichten als Absage an das Godesberger Programm der SPD vom Jahre 1959 ansahen. Überhaupt befand sich die deutsche Sozialdemokratie in einem Dilemma. Einerseits mußte sie einen Sieg ihres Linksaußen Steffen wünschen, weil sie damit die Mehrheit in der Länderkammer, dem Bufidesrat, der CDU entrissen hätte, anderseits war allen klar, daß Steffens Sieg den Jusos starken Auftrieb geben urfd Richtungskämpfe innerhalb der Partei heraufbeschwören würde.

Die CDU hielt Steffens Fortschrittsprogramm die alte These der sozialen Marktwirtschaft entgegen. Im übrigen gingen ihre Redner, unter denen sich alle Spitzenpolitiker der CDU befanden, weniger auf die Landes- als auf die Bundespolitik ein: auf die Ostpolitik der Bonner Regierung, auf die Inflationsrate von vier Prozent, auf die Steigerung der Exportpreise seit der D-Mark-Auf- wertung im Oktober 1969 um 13,5 Prozent, auf die bevorstehende Kürzung der VW-Div.idende und auf die Investitionsmüdigkeit zahlreicher deutscher Großbetriebe.

Die Kampftaktik der CDU erwies sich als erfolgreich, denn die Deutschen haben heute mehr Angst, das

Bestehende zu verlieren, als Hoffnung auf ein Reich der sozialen Gerechtigkeit.

Die CDU siegte überlegen. Sie stieg von 46 Prozent im Jahre 1967 auf 51,7 Prozent, während die SPD ihre 39,4 Prozent nur auf 41,7 Prozent steigern konnte. Die FDP, die bei der letzten Landtagswahl noch 5,9 Prozent erreichte, erhielt bloß 4 Prozent und konnte somit die 5-Prozent-Hürde nicht überspringen. Hatte sie vor einigen Wochen in Rheiniland-Pfalz verloren, weil sie sich vor den Wahlen zur Koalition mit der CDU bekannte, so verlor sie jetzt, weil sie auf eine Koalition SFD-FDP in Schleswig-Holstein setzte.

Der Polarisierungsprozeß in der Bundesrepublik Deutschland ist nicht aufzuhalten und stellt für die FDP eine tödliche Gefahr dar. Leer gingen die NPD und die DKP aus. Die Mandatisverteilung: CDU 40 (bisher 34), SPD 32 (30) und die dänische Partei 1 (1).

Die Tendenz in der Bundesrepublik ist klar erkennbar: Die CDU/CSU hat bei allen bisherigen Landtagswahlen .gewonnen. Die SPD verlor überall dort, wo die FDP die Fünfprozenthürde überwinden konnte, sie erzielte dagegen Gewinne, wenn die FDP die fünf Prozent nicht erreichte. Die NPD iist aus allen Landtagen verschwunden und die DKP bleibt bedeutungslos.

Vergleicht man die Bundesrepublik mit Österreich, so zeigt sich, daß die CDU dank einer Anzahl guter Köpfe in der Opposition sehr wohl Chancen hat, den beiden Regierungsparteien die Sympathien der Wähler abzujagen. In Österreich aber wird die Personenkrise der ÖVP zur Krise der Partei schlechthin und nimmt dieser jegliche Möglichkeit, in der nächsten Zeit dde innenpolitische Entwicklung entscheidend zu beeinflussen. Während Brandts Stern im Sinken ist, steigt der Kreiskys weiter.

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