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„Deutschland braucht Bayern“

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Die CSU hat ihren jüngsten, unter dem Motto „Deutschland braucht Bayern“ stehenden Parteitag in München dazu benutzt, deutliche Akzente für ihre Rolle als Opposition im Bundestag und für den Landtags-Wahlkampf kommenden November zu setzen. In den Neuwahlen der Parteispitze, die nach zwei Jahren wieder fällig war, wurde Franz Josef Strauss mit 477 der 500 gültigen Stimmen als Landesvorsitzender bestätigt. Bei der Wahl des übrigen Vorstandes ergeben sich keine besonderen Überraschungen. Interessant ist lediglich die Verabschiedung des Bundestagsvizepräsidenten Jäger als Schriftführer, der diesen Sitz im Vorstand in einer Kampfabstimmung an den jungen Oberbürgermeister von Landshut, Dei-mer, abtreten mußte. Damit ist es auch in der Spitze der CSU zu einem zwar nicht überwältigenden, aber immerhin bezeichnenden Generationswechsel gekommen.

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Die CSU hat ihren jüngsten, unter dem Motto „Deutschland braucht Bayern“ stehenden Parteitag in München dazu benutzt, deutliche Akzente für ihre Rolle als Opposition im Bundestag und für den Landtags-Wahlkampf kommenden November zu setzen. In den Neuwahlen der Parteispitze, die nach zwei Jahren wieder fällig war, wurde Franz Josef Strauss mit 477 der 500 gültigen Stimmen als Landesvorsitzender bestätigt. Bei der Wahl des übrigen Vorstandes ergeben sich keine besonderen Überraschungen. Interessant ist lediglich die Verabschiedung des Bundestagsvizepräsidenten Jäger als Schriftführer, der diesen Sitz im Vorstand in einer Kampfabstimmung an den jungen Oberbürgermeister von Landshut, Dei-mer, abtreten mußte. Damit ist es auch in der Spitze der CSU zu einem zwar nicht überwältigenden, aber immerhin bezeichnenden Generationswechsel gekommen.

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Der Hauptteil des Parteitags war der Profilierung der Oppositionsrolle vorbehalten, die Strauß, Kiesinger und Barzel in einem selten geübten Schulterschluß nach dem Motto Erlers definierten: Keine Ratschläge, aber viel Alarm. Barzel, der als erster sprach, warf der Regierung vor, „vom kalkulierten Risiko in die Ungewißheit des Abenteuers“ überzuwechseln. Es sei ein Punkt erreicht, der zum Widerspruch zwinge. Die Regierung Brandt-Scheel habe ihr Wort nicht gehalten, und statt dem versprochenen „Wagnis der Demokratie“ sei es zur Informationssperre, zu Parteispitzeln, Dossiers und Wählerlisten gekommen. Auf dem Gebiet der Wirtschaft werde nichts gegen die „einkalkulierte, inflatorische Lücke“ unternommen, und durch ihren ostpolitischen Optimismus sei die Bundesregierung dabei, in den USA jene Kräfte zu stärken, die die Truppenabzüge schnell vermehren wollten. Barzel appellierte wiederholt an die gemeinsame Freundschaft der CDU-CSU. Nur dieser „größte aller Freundeskreise“ sei imstande, die jetzige Bundesregierung noch während der laufenden Legislaturperiode durch eine neue zu ersetzen.

Strauß beschäftigte sich in seiner beinahe zweistündigen Rede vorrangig mit der Ostpolitik, dem „schwächsten Punkt des demokratischen Sozialismus“. Die Regierung werde recht bald vor der Alternative stehen, sich den kommunistischen Vorstellungen in der Deutschlandfrage noch mehr zu beugen als bisher oder die sowjetische Seite nach den vielen Ankündigungen einer neuen Politik zu enttäuschen und die vorherige Spannung — und zwar bei verbesserter Ausgangslage Moskaus — noch zu verschärfen. „Wir sagen nein zur Änderung des Status quo mit Gewalt. Aber wir geben uns selbst auf, wenn wir den Status quo gutheißen.“ Dem ehemaligen Bundeskanzler und Vorsitzenden der CDU, Kiesinger, blieb es vorbehalten, die von Strauß im Gegensatz zu seiner sonstigen Gewohnheit kurz behandelten Europaperspektiven zu umreißen. Von allen drei Rednern dürfte Barzel den relativ stärksten Eindruck auf die 600 Delegierten gemacht haben. Begünstigt durch die zeitliche und thematische Konstellation der Ostpolitik, die durch den Besuch Brandts in Washington, die kommende Bundestagsdebatte und das Kasseler Treffen das politische Interesse polarisiert, vermochte der Oppositionsführer im Bundestag durch sein kurzes, bestimmtes Auftreten und Aufrücken an die CSU-Position puncto Ostbeziehungen einen Sympathiezuwachs zu verbuchen, der ihm von der Schwesterpartei wohl noch nie so stark zuteil geworden ist.

Kiesinger hingegen schienen solche Ambitionen fremd zu sein. Er wirkte resigniert — ein Politiker, der sich innerlich schon auf das Altenteil zurückgezogen hat.

Strauß ist ebenfalls dabei, in eine neue Phase hineinzuwachsen. Der Beifall der Delegierten für seinen Beitrag war immer noch lang, aber doch um die Hälfte kürzer als vor zwei Jahren. Er ist nicht mehr der umjubelte und gefeierte Vorsitzende, sondern nunmehr so etwas wie eine Institution, der manche in den eigenen Reihen kritisch gegenüberstehen, auf die man jedoch wegen der innewohnenden Dynamik und politischen Potenz einfach nicht verzichten kann.

Der populäre Ministerpräsident Goppel hat mit einer abschließenden Rede den Wahlkampf für die Landtagswahlen eröffnet. Seine Hinweise auf die unbestrittenen Fortschritte in Bayern in den letzten Jahren dürften von der SPD nur schwer widerlegt werden können. Diese Erfolge im Verein mit den schlechten Chancen von FDP und NPD könnten es ermöglichen, daß Bayern im November als erstes Bundesland ein Zweiparteienparlament bekommt. Ob die CSU darin die Mehrheit behält, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob es ihr gelingt, in den Schichten der Arbeiter, des technisch gebildeten Mittelstandes in den Städten und bei der Jugend genügend Anklang zu finden.

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