Ein Hardliner wird Glaubenswächter

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In der deutschen Öffentlichkeit, in der Bischofskonferenz gilt Gerhard Ludwig Müller als Außenseiter. Der Papst machte ihn nun zu seinem Glaubenswächter.

Schon lange schossen die Spekulationen und Gerüchte um den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller ins Kraut, wurde er immer wieder für höchste Ämter im Vatikan gehandelt. Jetzt hat Benedikt XVI. seinen Landsmann zum Präfekten der Glaubenskongregation und damit in das Amt berufen, das er bis zum Konklave 2005 fast ein Vierteljahrhundert lang selbst bekleidet hat.

Müller wurde am 31. Dezember 1947 in Mainz-Finthen geboren, promovierte bei Karl Lehmann über den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer und habilitierte sich 1985, erneut bei Karl Lehmann. 1986 wurde Müller Dogmatik-Professor an der Universität München. Er ist einer der wenigen Vertreter seines Fachs, die sich noch an eine Gesamtdarstellung der katholischen Dogmatik gewagt haben; das knapp 1000 Seiten starke Lehrbuch gilt als Standardwerk und ist inzwischen sogar ins Chinesische übersetzt. Auch als Ökumeniker machte Müller sich einen Namen, aber als deutscher Ökumenebischof provozierte er gelegentlich die evangelische Seite und trat eher als Ökumeneverhinderer denn als -förderer auf.

Turbulenzen in Regensburg

2002 wurde Gerhard Ludwig Müller von Johannes Paul II. zum Bischof von Regensburg ernannt. In seine Amtszeit in Regensburg fallen schwere Auseinandersetzungen mit Theologieprofessoren, Kirchenkritikern und Laien. Müller äußerte sich ablehnend zur Schwangerschaftskonfliktberatung durch "Donum vitae“ und gestattete dem ehemaligen Vorsitzenden des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Maier, wegen seiner positiven Haltung zu "Donum vitae“ kürzlich nicht, seine Autobiografie anlässlich seines 80. Geburtstags in kirchlichen Räumen vorzustellen.

Der vielleicht weitreichendste Schritt in Müllers Amtszeit aber war die Neuordnung der Pfarrgemeinderäte und des diözesanen Laienapostolats 2005 - ein in der deutschen Kirche singulärer Schritt. Der bisherige Diözesanrat wurde durch pflegeleichtere Gremien abgelöst. Die Satzungen wurden so geändert, dass seitdem nicht mehr - wie in allen anderen deutschen Diözesen - ein Laie, sondern der Pfarrer Vorsitzender des Pfarrgemeinderates ist. Daraufhin kam es zu einem schweren Konflikt mit dem ZdK, das Müller eine "nicht hinnehmbare Rechtsverletzung“ vorwarf. In Reaktion darauf stellte Müller gegenüber dem ZdK alle Zahlungen ein, nahm sie inzwischen jedoch wieder auf.

Ein anderer Vorfall aber schadete Müllers Karriere weit mehr: Im September 2007 kam es zu öffentlichen Vorwürfen gegen Bischof Müller, weil ein wegen sexuellen Missbrauchs eines Ministranten verurteilter Priester ohne Information der betroffenen Gemeinde im Jahr 2004 eingesetzt worden und dort einschlägig rückfällig geworden war. Es war offenbar dieser Vorfall, der letztlich verhinderte, dass Müller Erzbischof von München und Freising wurde. Im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal 2010 warf Müller den Medien dann eine "Kampagne gegen die Kirche“ vor, die ihn an die Kirchenfeindlichkeit der NS-Zeit erinnere. Spätestens solche Einlassungen brachten ihm in der deutschen Öffentlichkeit heftige Kritik und das Attribut "umstritten“ ein. Inner- wie außerkirchlich gilt Müller längst als Außenseiter und Enfant terrible der deutschen Bischofskonferenz.

Zu den Widersprüchlichkeiten Müllers gehört es, dass er sich gegenüber den Piusbrüdern, die im Bistum Regensburg eine internationale Nachwuchsschmiede unterhalten, sehr kritisch gibt und 2009 dem Holocaustleugner Richard Williamson, einem Bischof der Piusbruderschaft, Hausverbot für alle Kirchen und Einrichtungen der Diözese erteilte. Für manche erstaunlich ist auch seine persönliche Freundschaft mit Gustavo Gutierrez und anderen lateinamerikanischen Befreiungstheologen.

Konflikte vorprogrammiert

Als der bisherige Präfekt der Glaubenskongregation, der eher unauffällig agierende US-Kardinal William Levada (76) seinen Rücktritt einreichte, machte ihn Benedikt XVI. nun zu dessen Nachfolger. Eine logische Wahl, liegt Müller total auf seiner (offiziellen Amts-)Linie. Außerdem gibt Müller seit 2008 das wissenschaftliche Gesamtwerk von Joseph Ratzinger heraus - eine Tätigkeit, die er auch in Zukunft fortführen soll.

Künftig soll Müller, der fünf Sprachen fließend spricht, also über die Reinheit der Glaubens- und Sittenlehre der katholischen Kirche wachen. Was auf den zum Erzbischof Ernannten, der jetzt auch Präsident der für den Kontakt zu den Traditionalisten zuständigen Kommission "Ecclesia Dei“ ist, zukommt, sind komplizierte Verhandlungen mit den Piusbrüdern. Ihnen gegenüber könnte er sich durchaus als harter Gesprächspartner erweisen. Doch man muss kein großer Prophet sein, um vorherzusagen, dass der streitbare, keinen Konflikt scheuende, häufig brüskierende Müller schon bald einen Ruf haben dürfte: als neuer Panzerpräfekt und vielleicht schon bald als Panzerkardinal.

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