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ALOIS DEMPF DENKER DES LEBENDIGEN GEISTES

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Als sich nach Kriegsende, 1945, in jener unvergeßlichen Frühlingszeit, in der einige aus dem Krieg heimgekehrte junge Menschen und etliche Ältere wähnten, nun breche aßch in Österreich eine neue Zeit an, junge, lern- und wißbegierige Menschen an die Universität drängten, kam ihnen ein Mann entgegen. Ein Mann, der an Jahren nicht mehr der jüngste war, innerlich aber ein Feuerkopf, ein Feuergeist, der in den langen Jahren, in denen ihm das Regime in sein Domizil auf dem Stephansplatz verbannt und von jeder öffentlichen Wirkung ausgeschlossen, das Feuer gehütet hatte.

Alois D e mp f, der am 2. Jänner siebzig Jahre alt wurde, war als eine der wenigen glücklichen Erwerbungen der Universitätspolitik in den Jahren, in denen sich das Unwetter in Österreich selbst zusammenbraute, recht knapp vor Torschluß von Bonn nach Wien berufen worden. Dieser gebürtige Bayer aus Altomünster hatte sich international weit über die Kreise des deutschen Katholizismus hinaus einen Namen geschaffen. Benedetto Croce, der große italienische Liberale, Spanier und Amerikaner, nahmen regen Anteil an seinem Schaffen, das in dem monumentalen Werk „Sacrum Imperium“ reichen Widerhall fand. Nicht so jedoch im deutschen und österreichischen akademischen Katholizismus. Hierzulande wurde, um seine Berufung zu verhindern, eine pamphletistische Schmähschrift von einem Konkurrenten verfaßt und an prominenter Stelle in Deutschland veröffentlicht. Während sonst damals wie heute Manöver dieser Art fast todsicher gelingen, kam es 1936 doch zur Berufung von Alois Dempf nach Wien: eines der wenigen Mirakel im österreichischen Hoch- schulleben. Dempf war, von Haus aus, alles andere als eine leicht faßliche Erscheinung. Seine Interessen, seine Bildung, die Perspektiven seiner Arbeiten gingen weit über ‘ das hinaus, was man von einem katholischen Universitäts philosophen von Amts wegen und andernorts erwartete. Dempf hatte als Mediziner begonnen und noch den ersten Weltkrieg als bayrischer Arzt mitgemacht. Seine Studien über mittelalterliche Denker, Theologen, Ethiker konnten sich wohl vor aller Welt sehen lassen; seine rege Anteilnahme am ganzen Leben, am kulturellen, geistigen und politischen Leben, hatten ihn nicht nur in den ersten Jahren nach 1918 zu tagespublizistischer und essayistischer Arbeit, ja zur Gründung einer Zeitschrift verleitet, sondern ließen auch mit zunehmenden Jahren nicht nach. Dieser Mann interessierte sich für allles: für das Theater und die Kunst, für den modernen Roman und für das große und kleine Geistesleben in aller Welt. Diese seine Bildung, seine universalen Interessen, mußten verwirrend wirken auf Bürokraten aller Farben. Unbequem war noch dazu seine Beschäftigung mit einigen Großen in der deutschen und katholischen Geistesgeschichte, die im 19. Jahrhundert kirchlich abgeurteilt oder zumindest suspekt waren und es teilweise noch sind: Rosmini und Günther, der junge Friedrich

Schlegel und der alte Schelling.

Mehr wohl noch als einzelne Themen war es die Jugendkraft, die

Jugendlichkeit des Geistes, eines sieghaften Vertrauens in die Macht des gläubigen, gott- und weltoffenen Geistes, die Alois Dempf mit den kühnen, einsamen Genialen des 19. Jahrhunderts verband.

Dieser Mann nun hoffte mit aller guten Kraft seines Lebens, daß nach 1945 in Österreich ein Geistesfrühling mitanbrechen werde. Die Enttäuschung kam schnell. Dempf nahm einen Ruf nach München an; das war eine schwere Entscheidung, für ihn und für seine Familie, die sich hier eingewurzelt hatte, ln München hat er 1959 seine Emeritierung erhalten. Darf man hoffen, daß ihn der Weg nach Wien zurückführt? 70 Jahre sind für einen Feuerkopf kein „Alter“, ln den letzten Jahren hat er im Zusammenhang mit seinen frühchristlichen und byzantinischen Studien Ägypten, Griechenland, Sizilien bereist, und die Strahlmacht dieses ersten Geistesfrühlings unserer abendländischen Welt in einem sehr schönen Bande bekundet: „Die unsichtbare Bilderwelt — eine Geistesgeschichte der Kunst“ (Zürich- Köln 1960).

ln einer Zeit, in der die Gleichschaltungen hüben und drüben triumphieren, wirkt dieser Mann als Persönlichkeit im besten Sinne anziehend: ein treuer Katholik, der als solcher ein „Liberaler“ ist im Sinne echter Freiheit des Geistes; ein Konservativer, der in manchem revolutionärer denkt, als so viele Revoluzzer; ein Bayer, der auch ein Österreicher ist; ein Mann, der mit Siebzig jünger ist als nicht wenige Zwanzig- und Dreißigjährige in unserem Lande. Das ist er, der Vater Dempf.

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