6577371-1950_50_11.jpg
Digital In Arbeit

Südtirol in Wort und Bild

Werbung
Werbung
Werbung

Der gleichnamigen schönen Publikation der Tyrolia ist unmittelbar das Werk „Südtirol“ des Wiener Verlages Holzhausen gefolgt. Demselben Thema zugewandt, zeichnet jeden der beiden Bände solch eine besondere Eigenart aus, daß beide sich seltsam ergänzen und der Besitzer des einen wohl wünschen mag, auch den anderen Band sein eigen zu nennen. Gegenüber demTyrolia-Buch, das, von Oberkofler tex-tiert, eine Sammlung von meisterhaften landschaftlichen Lichtbildaufnahmen darstellt, ist das Werk, in dem sich Josef Weingartner und der akademisohe Maler Robert Zinner zusammengetan haben, von anderer Wesenheit. In ihm stellen die Autoren, ein Meister des Wortes und ein Meister des Pinsels, ein persönliches künstlerisches Erlebnis vor. Wenn Josef Weingartner, der Kunsthistoriker, der ebensogut ein Poet sein könnte, von dem Runkelsteiner Burghof sagt, er müsse jeden, „dessen Herz nicht von Stein oder Leder ist, zum Schwärmen bringen“, so könnte er von hundert anderen Erdenflecken, an die Wort und Bildwerke dieses Buches erinnern, dasselbe sagen. In dem Maler Zinner, der mit mehr als hundert Aquarellen und Bleistiftzeichnungen den Band durchwirkt, erhielt Josef Weingartner den ebenbürtigen bildnerischen Partner. Das Wort von dem steinernen oder ledernen Herzen wird immer wieder herausgefordert, wenn man sich Zinners Bildern gefangengibt. Da ragt die Burg Hocheppan aus dem in blauem Glast verschwimmenden Gebreites des Weinlandes, da ist das schauerlich-wilde Kastellbell im Vintschgau, und unerschöpflich diese Burgenromantik längs der uralten Straßen nach Italien. Unter den Zeichnungen finden sich viele erlauschte Situationen, die nur dem kundigen Maler erreichbar sind; so wenn Robert Zinner um die Burg Felsenstein herumklettert, um die kühnste Skizze zu erhaschen, die man sich von diesem Adlernest denken kann. Da ist aber auch wieder das große Blatt, das jenes in keiner Kunstgeschichte noch in solcher Schönheit wiedergegebene

Schmiedeeisengitter von St. Nepomuk in Lana bei Meran weist, ein Prachtstück aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Hof und Ansitz, Schloß und Bauernhof, Landschaft und Stadtbild, Gefels und Gefirn in majestätischer Erhabenheit — sie zaubert der Griffel und der Pinsel vor das Auge. Dies Buch genießen, heißt teilnehmen an der Huldigung vor begnadeter Herrlichkeit. Der Band ist technisch eine erstrangige Leistung neuesten österreichischen Buchschaffens.

In dem „Südtiroler Almanach“, die auch heuer wieder erschienene literarische, bildgeschmückte Jahresgabe der Gesellschaft der Freunde Südtirols, haben sich Tiroler Erzähler und Dichter, Historiker und Kulturpolitiker ein Stelldichein gegeben. Dreißig

Aufsätze und poetische Beiträge bilden eine Sammlung von Berichten und Beobachtungen, die, solcherart sonst nur in der periodischen Presse verstreut, vielfach verloren würden, fänden sie nicht in diesem reichen und wohlausgestatteten Almanach ihre dauerhafte Be-wähnung. Der Band ist eröffnet von einem Gedenkblatt an Karl Seitz, den verstorbenen Ehrenpräsidenten der Gesellschaft. Mit Beiträgen haben sich unter anderen beteiligti Heinrich R. v. Srbik, der wertvolle persönliche Erinnerungen an die Kämpfe um Südtirol 1914/18 erzählt, Vinzenz und Josef Oberhummer, Hubert Mumelter, Otto von Lutte-rotti, Fernwall, Karl Paulin, F. X. Sedlmayr, Walter Freiberg, J. G. Oberkofler, Franz Turnier. — Ernste Nachdenklichkeit erweckt die in diesem Band veröffentlichte statistische Tafel über Bevölkerungsbewegungen in Südtirol; danach ist zum Beispiel in der Wohnbevölkerung des autonomen Südtiroler E'sch-landes das italienische Element von 1910 bis 1936 von 3,4 Prozent auf 15,7 Prozent und bis 1943 auf 34,2 Prozent gestiegen.

Dr. Friedrich F u n d e r

Fritz Michael Gerlich. Ein Lebensbild. Von Erwein Frhn. v. A r e t i n. Verlag Schnell & Steiner, München. 148 Seiten.

Es war nicht ein Zufall, der im Jahre 1920 den kalvinischen Preußen Dr. Fritz Gerlich auf den journalistisch einflußreichsten Posten Süddeutschlands berief; denn schon damals zählte der hochbegabte Mann, der durch acht Jahre die Hauptschriftleitung der „Münchener Neuesten Nachrichten' innehaben sollte, zu den markantesten Persönlichkeiten seiner Zeit, und zu den ganz wenigen, die das Wesen und die Gefahr des Kommunismus wie des eben in Erscheinung tretenden Nationalsozialismus mit voller Klarheit erkannten. Wie ihn seine rastlose Suche nach Wahrheit über Konnersreuth in den Schoß der katholischen Kirche führte, so trieben ihn sein unerschrockener Mut und seine echte Vaterlandsliebe dazu, nichts unversucht zu lassen, um Deutschland vor dem grauenvollen Schicksal, das er herankommen sah, zu bewahren. Als Herausgeber der politischen Wochen-schrif „Der gerade Weg“ führte er den Kampf gegen die ansteigende braune Flut mit einer Schärfe, die ihm die tödliche Feindschaft Hitlers selbst und der Clique um Hitler eintrug; trotzdem, und wiederholt gewarnt, blieb er bis zur letzten Stunde auf seinem Posten, klar dessen bewußt, was ihn nach dem .Umbruch' erwartete. Er war der erste, an dem die .Eroberer' Münchens am 9. März 1933,ihren Siegesrausch austobten und den sie triumphierend ins Gefängnis schleppten. Nach fünfzehnmonatiger qualvoller Haft fand Doktor Gerlich am 30. Juni 1934 unter den Händen seiner Peiniger den Tod und die Erlösung.

Niemand konnte so berufen sein, das Leben, Wirken und Sterben dieses außergewöhnlichen Mannes zu schildern, wie der bekannte Publizist Freiherr von Aretin, der zu den engsten Freunden und Mitarbeitern Dr. Geruchs zählte und lange Monate der Gefängnishaft mit ihm geteilt hat.

Kurt Strachwitz

Sonja Kowalewskl, Leben und Liebe einer gelehrten Frau. Von Alja Rachmanowa. Rascher-Verlag, Zürich. 350 Seiten.

Das Leben der Sonja Kowalewski (1850 bis 1891) verlief deshalb so dramatisch, weil hier ein privates Schicksal mit den Tendenzen einer Epoche zusammentraf. Das seit Generationen vererbte Mathematiktalent ihrer

Väter sprang gerade dann auf eine Tochter über, als in ganz Europa die Frauenbewegung ihren Anfang nahm — und am stürmischesten in Rußland, weil dieses Land damals die unblutige Sozialrevolution der Bauernbefreiung durchmachte. So sah sich Sonja Kowalewski, die große Mathematikerin, plötzlich als Beweisstück im Kampf, als bestes Argument für: .Seht, wir können es ebensogutl“ Die technisierte Welt verlangte instinktiv nach der neutralen Arbeitsbiene. Sonja Kowalewskis Tragik bestand darin, daß sie für ihre mathematischen Siege mit menschlichen Niederlagen bezahlte und endlich an seelischem Bankrott starb. Das Buch ist mit großem Materialfleiß geschrieben, und darin besteht sein Wert, doch leider erinnert das, was die Verfasserin aus eigener Phantasie dazu tut, ein wenig an die Marlitt. Auch scheint dem Ubersetzer (aus dem Russischen) die Sachkenntnis gefehlt zu haben, denn es geht nicht an, statt Thiers hartnäckig Thier, und statt Pascal gar Pasqual zu schreiben. Uberschlägt man aber die lyrischen und deskriptiven Stellen, so ist das Buch wirklich interessant.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung