Es gibt nichts Schöneres, als so ein richtig heißer Sonntagnachmittag in der Stadt. Wenn alles hinausgeflüchtet ist an die Badeseen, dann hat man die Stadt sozusagen ganz für sich allein. Das ist ein Gefühl, ein neues Stadtgefühl, dem man getrost einige Schweißperlen opfern kann.
Nicht nur die Straßen und Parkplätze sind autoleer, nein, auch die Stadtbahnen, Gehsteige und Parkbänke sind so gut wie menschenleer. Endlich keine Parkplatzsorgen, keine Ängste, von Autos gerädert und von Menschenmassen erdrückt zu werden, und vor allem keine Gefahr, die Tante Lotte oder den Onkel Ferdinand zu treffen.
So völlig locker und entspannt schlendere ich an besagten Sommersonntagen durch Straßen, die ich an Werktagen nicht um viel Geld betreten würde. Ich mache ermäßigte Stadtrundfahrten als VIP sozusagen solo, wo sich sonst die Massen drängen. Im einzigen geöffneten Cafe der Stadt bin ich der einzige Gast, der natürlich gehegt und gepflegt wird wie eine unersetzliche Kostbarkeit. Wenn ich dran denke, wie's jetzt in den überfüllten Badebuffets zugeht, dann möchte ich nicht um viel Geld tauschen.
Ich bestell' mir einen kleinen Braunen mit einer Sacher und bekomme sämtliche brandneuen Zeitungen gratis - franko - dazuserviert. Sonst muß man froh sein, wenn man irgendeine Zeitung von vorgestern erhascht. Der Kellner fragt alle fünf Minuten, ob etwas fehlt, so ein Service hat auch nur ein Sonntagnachmittagshitzegast. Nur als ich nach zwei entspannten Stunden das Cafe verlasse, wen treffe ich wider alle Erwartungen auf der Straße: die Tante Lotte und den Onkel Ferdinand. Die beiden hatten vom letzten Sonnenwochenende einen Sonnenbrand heimgebracht, der sich gewaschen hat. Darum waren sie heute im Kino.
Weil wir uns so selten sehen, mußte ich mit ihnen ins einzige geöffnete Cafe, das ich soeben verlassen hatte. Dort erzählte mir Tante Lotte den Film von vorn bis hinten: Ein Liebesfilm ohne Happy End.
Naja, wenn die Tante Lotte nicht war' und der Onkel Ferdinand und ihr Sonnenbrand, dann wäre so ein hitziger Sommersonntagnachmittag in der Stadt das reinste Vergnügen, aber so ...
