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Reinhold Suttner sondiert geordneten RUckzug

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Gemäß dem alten Wahrspruch „Der kluge Mann baut vor“ scheint sich zur Zeit der Wiener SPÖ-Klub-obmann und Bauring-Aufsichtsrats-Vorsitzende Reinhold Suttner auf alle Überraschungen im Gefolge des am 5. November beginnenden Bauring-Prozesses gefaßt zu machen. Wie von ÖVP-Stadtrat Dr. Günther Goller, der als erster die Bauring-Bombe platzen gelassen hat, zu err fahren ist, bemüht sich Suttner seit einiger Zeit, an seinen alten Schreibtisch in der Außenstelle Liesing der Wiener Arbeiterkammer zurückkehren zu können.

Suttner, der als Bezirksvorsteher des 23. Wiener Gemeindebezirkes von 1962 bis 1968 seinen Posten in der Arbeiterkammer beibehalten hatte, zog sich, als er am 29. März 1968 amtsführender Stadtrat wurde, aus seinem „Zivilberuf“ zurück. Seit er 1973 aus der Stadtratsgarnitur ausschied, verdient sich Suttner seinen Lebensunterhalt als SP-Klub-obmann und Bauring-Aufsichtsratsvorsitzender sowie als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Stadthalle-Gesellschaft.

Nun scheint Suttner, der in der Öffentlichkeit immer noch auf volle Rückendeckung von Bürgermeister Leopold Gratz zählen kann, aber doch damit zu rechnen, daß er aus dem Bauring-^Prozeß angeschlagen heraussteigen und in weiterer Folge seinen Job als Klubobmann der Wiener SPÖ aufgeben könnte. Suttner verfügt zwar über einen vollen Pensionsanspruch, muß aber erst die Erreichung der erforderlichen Altersgrenze abwarten.

Im Wiener Rathaus kursiert zur Zeit außerdem das Gerücht, die Gemeinde Wien könnte sich als Privatbeteiligter gemäß den Bestimmungen der Strafprozeßordnung an den Bauring-Prozeß anhängen; ähnlich, wie es vor Jahren auch das Land Niederösterreich im Müllner-Prozeß gemacht hatte. Dazu Dr. Goller: „Niederösterreich ist gar kein Beispiel, die Relationen sind ja heute ganz andere...“

In der Tat klingt es etwas sonderbar, daß der Wiener Bürgermeister bisher in der ganzen Bauring-Affäre auffallend inaktiv geblieben ist. Mit der Sanierung des Bauringes, von dem heute bekanntlich nur mehr eine Hülse existiert, meint die Wiener SPÖ, einen Schlußstrich unter den Skandal gezogen zu haben. Günther Goller ist anderer Meinung: „Na uns fehlen halt 1,4 Milliarden Schilling mit diesem Schlußstrich!“

Die Überlegung der Gratz-Kritiker ist die: Mit der Verfolgung und Verurteilung der laut Strafrecht verantwortlichen Bauring-Leute kann der Skandal nicht sein Bewenden haben. Wenn sich die Gemeinde Wien aber mit eigenen Anwälten — unter denen sich ja vielleicht auch ein Anwalt befinden könnte, der das Vertrauen der Opposition genießt — in den Prozeß hineinknien würde, kämen möglicherweise noch neue Fakten zutage. So könnte doch ein Weg von den strafrechtlich Verantwortlichen bis hin zu den politisch-moralisch Schuldigen im Wiener Rathaus gezogen werden. Ob die Rathaus-Gewaltigen tatsächlich so ahnungslos waren, wie sie heute den Eindruck erwecken, könnte sich dabei herausstellen.

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