In einem Interview bezeichnete die derzeitige Sozialministerin (Brigitte Zarfl; Anm. d. Red.) „soziale Sicherheit als Kitt der Demokratie“ – Sätze wie dieser klingen zwar sehr sympathisch und entsprechen auch weit verbreiteten Vorstellungen, haben mich jedoch nachdenklich gemacht. Zweifellos ist – zumal nach den Erfahrungen der 1930er-Jahre – die parallele Entwicklung von sozialer Sicherheit, Demokratie und Wohlstand eine der größten Errungenschaften der österreichischen Geschichte; und alle, die in diesem Paradies leben, müssen jenen, die diese Entwicklung gestaltet haben, dankbar sein. Aus der zeitlichen Koinzidenz dieser Entwicklungen Rückschlüsse auf kausale Zusammenhänge zu ziehen, wäre jedoch unter mehreren Gesichtspunkten problematisch.
Zum einen zeigt ein Blick über die Grenzen, dass das Streben nach sozialer Sicherheit auch Diktaturen innewohnt: wurde nicht bis vor wenigen Jahren auch das Bildungs- und Gesundheitswesen Kubas oder Venezuelas vielfach gerühmt. Soziale Sicherheit ist immer ein Mittel zur Stabilisierung von Herrschaft, nicht jedoch zwingend nur von Demokratien! Gefährlich wäre es auch, das heutige Niveau der sozialen Sicherheit als notwendig für die Erhaltung der Demokratie zu sehen, weil damit jede Veränderung von Einzelregelungen als demokratiegefährdend gebrandmarkt wird. Und schließlich wäre es um die Akzeptanz von Demokratie dramatisch schlecht bestellt, wenn sie soziale Sicherheit als Kitt benötigt: Gerade die Vorfahren, die nach dem Desaster des Zweiten Weltkriegs unser demokratisches System errichtet haben, haben dies ohne soziale Sicherheit bewirkt. Letztlich haben erst demokratische Strukturen die Entwicklung des heutigen Systems und Niveaus der sozialen Sicherheit ermöglicht!
Demokratie sollte doch in der Gesellschaft so fest verwurzelt sein, dass sie soziale Sicherheit nicht als Kitt benötigt!
Der Autor ist Professor für Arbeits- und Sozialrecht und Leiter des Instituts für Familienforschung.