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Traum oder Offenbarung

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Eugen Drewermann ist zumindest der interessierten katholischen Öffentlichkeit mehr als nur bekannt: für die einen erscheint er als echter Erneuerer der Theologie, vor allem der Exegese, für die anderen als enfant terrible schlechthin, dem nur mit Auftrittsverbot beizukommen ist. Beide Haltungen kommen der Realität nicht nahe.

Ausgelöst wurde die Kontroverse durch die beiden monumentalen Bände Drewermanns „Tiefenpsychologie und Exegese“ (Walter-Verlag, Olten-Freiburg 1984 beziehungsweise 1985), die eine Fülle von Reaktionen hervorgerufen haben. Drewermanns Opus wurde auch in dieser Zeitschrift kritisch rezensiert (FURCHE 32/1985). Nun haben zwei anerkannte Exegeten, Gerhard Lohfink und Rudolf Pesch, die bisher umfangreichste Kritik an Drewermanns Bibelauslegung veröffentlicht: „Tiefenpsychologie und keine Exegese“ nennen sie ihre ausdrücklich als „Streitschrift“ gedachte Auseinandersetzung mit dem Werk des Psychotherapeuten und Theologen.

Kritik ruft ja nicht sosehr das Anliegen Drewermanns hervor, das erschreckende Erfahrungsdefizit der Christen zu füllen und die staubige Trockenheit rationaler Theologie zu beseitigen. Vielmehr stößt seine Vorgangsweise pauschalierender Urteile und einseitiger Methoden auf Ablehnung.

Lohfink und Pesch stellen die „Grundlinien der Schriftauslegung bei Drewermann“ dar, dann einige „Konkrete Auslegungen“, um schließlich in „Abschließenden Überlegungen“ ihren Standpunkt vollends deutlich werden zu lassen.

Drewermann verdammt die „historisch-kritische Exegese“ (Erforschung der Heiligen Schrift auch nach geschichts- und sprachwissenschaftlichen Gesichtspunkten) in Grund und Boden, weil sie zu dem erfahrungslosen Reden von Gott geführt habe.die heutige Theologie kennzeichne. Drewermann stützt sich allerdings dort, wo es ihm nützt, sehr wohl auf diese Ergebnisse. Fundament seiner Auslegung solle der Traum in seiner tiefenpsychologischen Auslegung sein. Vollends außer acht läßt Drewermann die prophetische Rede und die Geschichte, um nur noch zwei weitere „Sprachen“ Gottes zu nennen.

Den hermeneutischen Impuls, alte Texte mit gegenwärtigem Erleben zu verbinden, sehen Lohfink und Pesch durchaus positiv. Kritisch stehen sie nur der einseitigen Anwendung dieser Methode gegenüber, zumal Drewermann auch die Tiefenpsychologie nur selektiv einsetze.

Eine der größten Schwierigkeiten ergäben sich, so die Autoren, wo Drewermanns fatale Gleichsetzung von Religion und Offenbarung nicht mitvollzogen werden könne: Das theologisch Einmalige der Offenbarung in Jesus,dem Christus, werde in einem historischen Einerlei von archetypischen Bildern, Wunderheiligen nach Art der Schamanen verwischt. Die Auflösung von Ängsten in Vertrauen durch Rückzug in die eigenen Kräfte werde zu einer Art von höherer Erkenntnis hochstilisiert.

Weiters werfen Lohfink und Pesch Drewermann die Tendenz zur „Entmessianisierung“ vor (bei Drewermann fehlt die „mes-sianische Dimension“ völlig), die wieder mit der „Individualisierung und Privatisierung“ der Religion zusammenhänge, die durch deren radikale Entgeschichtli-chung erreicht wird: In der Einzelseele vollziehe sich die Geschichte, sie sei entscheidend. Das von Drewermann angesprochene Erfahrungsdefizit der Christen, das in die Entweltlichung des Glaubens münde, wird freilich von diesem selbst noch verstärkt. Er biete stattdessen einen neuen Rationalismus an, der Geschichte in Mythologie auflöse und eine Glaubensgestaltung, die die Spannung zwischen Text und Wirklichkeit, Faktum und deutender Überlieferung aufhebe.

Die Kritik Lohfinks und Peschs scheint über weite Strecken als berechtigt, wenn auch mit Schärfe vorgetragen. Nicht übersehen darf man freilich die von den kritischen Autoren selbst betonte Bindung an ihre Erfahrungen in der sogenannten „Integrierten Gemeinde“, einer Art von Basisgemeinde in der BRD, was deren Kritik vielleicht in Details, nicht im wesentlichen relativiert.

TIEFENPSYCHOLOGIE UND KEINE EXEGESE. Eine Auseinandersetzimg mit Eugen Drewermann. Von Gerhard Lohfink und Rudolf Pesch. Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1987. 112 Seiten, kart., öS 220,-.

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