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Glaube versus Psychologie?

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Der Theologe Eugen Drewermann läßt die Theologie und besonders die Exegese nicht zur Ruhe kommen. Gleichzeitig regt sich mit der fortschreitenden Rezeption seines Ansatzes auch die immer de-zidiertere und differenziertere Kritik. Der in Paderborn lehrende Theologe und Tiefenpsychologe hat nun in den beiden mehr als 1400 Seiten umfassenden Bänden „Das Markus-Evangelium. Bilder der Erlösung“ (1987/88) dieses Evangelium konkret mit der Tiefenpsychologie konfrontiert. Mit ungeheurem Aufwand an Belegen aus Religionsgeschichte, Literatur, Philosophie, Psychologie und so weiter untermauert Drewermann seine These von der Unfruchtbarkeit und daher Antiquiertheit der historisch-kritischen Exegese und tritt ein für eine Bibelinterpretation, die direkt nach dem Sitz im Leben des Lesers und nach dessen Verständnismöglichkeiten fragt. Im Mittelpunkt dieser umfangreichen Auslegung steht für Drewermann der verängstigte Mensch des 20. Jahrhunderts, der sich in den Texten des Neuen Testaments wiedererkennen soll. Dieses pastorale Anliegen ist sehr zu begrüßen, allein es darf nicht auf Kosten der historischen Wahrheit gehen.

Drewermann leugnet die Relevanz des Geschichtlichen beziehungsweise reduziert sie auf psychische Gegebenheiten, die kollektiv in den Archetypen' oder in Bildern die Einzelseele beherrschen. Damit bleibt - bei aller guten Lesbarkeit der Texte - das Problem der Kom-munizierbarkeit der Inhalte des Glaubens, der Werte bestehen. Aus der von Drewermann beklagten Vereinzelung findet sich durch Rückgriff auf psychische Phänomene kein Ausweg.

In dem Band „Tiefenpsychologie und keine Exegese“ setzten sich -zugegebenermaßen manchmal polemisch - die beiden Exegeten Rudolf Pesch und Gerhard Lohfink auseinander (FURCHE 9/1988). Auf diesen seiner Meinung nach „unqualifizierten Angriff“ antwortet Drewermann nun mit „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“. Darin wiederholt er - ohne auf die erwähnte Polemik einzugehen -seine Thesen und wirft Pesch und T^bfinlr vor, daß sie „meine Bücher nicht gelesen haben“. Auch wenn nicht jedes einzelne Argument der Autoren geteilt wird, läßt sich sicher sagen, daß sie Drewermanns Bücher aufmerksam und sorgfältig studiert haben. In seiner nicht minder kämpferischen Antwort gibt Drewermann Einblick in sein Arbeiten. Ob allerdings Sören Kierkegaard, Sigmund Freud, Carl Gustav Jung und Jean-Paul Sartre so unbesehen zu „Vorbildern“ hochstilisiert werden können, wie das hier geschieht?

„Tiefenpsychologische Deutung des Glaubens?“ lautet der Titel eines Sammelbandes, in dem acht namhafte Autoren (Walter Kasper, Rudolf Schnackenburg, Franz Fur-ger, Jörg Splett, Albert Görres, Ernst Dassmann, Josef Sudbrack, Horst Bürkle) über die Integration tiefenpsychologischer Methoden in die Theologie und Religionswissenschaft diskutieren und dies als berechtigtes Anliegen, ja als Bereicherung beurteilen. Gleichzeitig wehren sie sich allerdings gegen eine verengte Sicht der Psychologie, dagegen, Geschichte irrelevant zu erklären und den Intellekt abzuwerten zugunsten des Gefühls, gegen die Reduktion der Einmaligkeit des Erlösungsgeschehens auf gnc— stisch-dualistische Mythen. Grundtenor ihrer Auseinandersetzung ist eine kritische Aufnahme des Anliegens Drewermanns, was selbstverständlich Kritik an der Kritik einschließt. In dieser schon seit einigen Jahren schwelenden Diskussion wird ganz sicher ein Kapitel Theologiegeschichte des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts geschrieben.

DAS MARKUSEVANGELIUM. Von Eugen Drewermann. Walter-Verlag, Ölten, Band 11967, Band 2 1988. 656 bzw. 796 Seiten, Ln-, öS 530,40 bzw. öS 608,4a

AN IHREN FRÜCHTEN SOLLT IHR SIE ERKENNEN. Von Eugen Drewermann. Walter-Verlag, Oiten 1968. 202 Seiten, kart, öS 171,60.

TIEFENPSYCHOLOGISCHE DEUTUNG DES GLAUBENS? Herausgegeben von Albert Görres und Walter Kasper (=Quaestjonesdisputatae 113). VerlagHerder,Freiburgl988.174Seiten, kart, öS 193,52

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