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Drewermanns offene Fragen
Leonardo Boff hat resigniert, Eugen Drewermann wurde von seinem Bischof in Paderborn als Theologe suspendiert. Alles in Ordnung. Die Kirche macht von ihrem Recht zur Disziplinierung Gebrauch. Die Einheit der Lehre geht über alles, auch wenn sie nur mehr als Fiktion existiert. Alles in Ordnung?
Ja, wenn Theologie als Apologie des bestehenden, überlieferten Glaubensgutes betrachtet wird. Es gibt freilich Theologen, die meinen, Theologie sei die Selbstprüfung der Kirche von ihrem Inhalt her; es gibt auch die immer wieder auftauchende Frage, ob ein gewachsenes, nicht mehr ausrottbares Selbstverständnis eines kritischen Geistes auch in der Kirche einmal heimisch werden könnte.
Es ist hier nicht der Platz und die Möglichkeit, auf die Fragen einzugehen, die nach einer jahrelangen Auseinandersetzung nun zu der Entscheidung des Paderborner Erzbischofs Johannes Degenhardt geführt haben. Es geht dabei um die Spannung zwischen historisch-wissenschaftlicher Forschung und Dogmatik einerseits und andererseits um die Spannung zwischen Gesetzestreue und einem prophetischen Christentum, das geneigt ist, dem Problem der Tragik der menschlichen Schuld mit Verständnis statt mit Verdammungsbereitschaft zu begegnen. Das ist jetzt eine vereinfachte Darstellung, die nicht dazu verführen sollte, die Kontrahenten Drewermann-Degenhardt in ein oberflächliches Schwarz-Weiß-Schema zu zwängen - aber ich glaube, die angedeuteten Konturen stimmen.
Drewermann ist zum Beispiel in der Frage der Abtreibung der Meinung, daß der Dienst der Kirche wesentlich der Versöhnung und nicht der Aburteilung gelten solle. Er hat seinen Bischof auch gefragt, wieviel Freiheit, wieviel Innerlichkeit, wieviel Liebe und Ehrlichkeit die heutige Kirche wage und ertrage. Und er hat gemeint, daß das Gewicht der Fragestellungen sich an der Not der Zeit orientieren sollte, „statt uns im Grunde nur mit uns selbst und den Problemen unseres Standes zu beschäftigen".
Die Antwort auf diese Fragen war der Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis. Drewermann war so unverfroren, zu erklären, daß Jesus nie eine Kirche gewollt habe, in der ein Bischof zugleich Ankläger, Richter und Exekutor in einem sei. Daß das möglich ist, wurde bewiesen. Was Jesus wirklich wollte, ist noch klärungsbedürftig.
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