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Wertfreie Ökonomie gibt's die?

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Deutlicher als sonst zeigt sich in Vorwahlzeiten, daß die Wertfreiheit der Wirtschaftswissenschaften ein selten erreichtes Lehrbuchideal ist und auch die „rein“ wissenschaftlichen Aussagen engagierter Professoren und Doktoren von ihrem gesellschaftspolitischen Standort beeinflußt werden. Es ist ja auch schwer vorstellbar, daß beispielsweise Ewald Nowotny als Ökonomie-Professor an der Uni Linz eine andere (Lehr-)Meinung vertritt als der SP-Abgeord-nete Nowotny. Opposition und Medien würden ihm mit. Sicherheit einen Strick daraus drehen.

Wie weit das Lagerdenken im wissenschaftlichen Bereich oft geht, erfuhr vor nicht allzu langer Zeit der jetzt vergrämt in die Bundesrepublik abwandernde Gerhard Schwö-diauer. Als das (unabhängige) Institut für Höhere Studien unter seiner Leitung steigende Arbeitslosigkeit just zu dem Zeitpunkt prognostizierte, als die Regierung auf Vollbeschäftigungseuphorie schaltete, rief Genosse Kreisky seinen Parteifreund Schwödiauer prompt zum Rapport.

Gutes Anschauungsmaterial zu dem Thema liefert auch der Disput darüber, ob nun die Kraftfahrer - wie ihre Interes-sensvertretungen immer wieder behaupten - mit ihren Abgaben das allgemeine Budget subventionieren, oder umgekehrt, der Straßenverkehr aus dem allgemeinen Budget subventioniert wird. Seit Vizekanzler Androsch ex cathedra verkündete (Straßentag, Mai 1978), daß letzteres der Fall sei, sind interessanterweise auch die seiner Partei nahestehenden Wissenschafter geschlossen dieser Meinung. Was ja noch nicht ausschlösse, daß diese Auffassung tatsächlich die richtige ist, würde zu ihrer Untermauerung nicht die Logik auf oft akrobatische Weise strapaziert.

So kommt etwa der Leiter des Wiener Kommunalwissenschaftlichen Dokumentationszentrums, Helfried Bauer, in einem jüngst erschienenen Beitrag („Wirtschaftspolitische Blätter“, Heft 1/1979) nicht unerwartet zu dem Ergebnis, daß die Kraftfahrer die von ihnen verursachten Kosten nicht decken. Eine gegenteilige Argumentation der „Gesellschaft für Straßenwesen“ (ÖGS) hält Bauer für „nicht seriös“, was ihn selbst aber nicht hindert, in seiner Rechnung die nicht für den Straßenverkehr zweckgebundenen Beiträge der Kraftfahrer (z. B. Bundeskraftfahr-zeugsteuer) einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Folgt man der „Logik“ Bauers & Co., hieße das, daß die Autofahrer desto weniger ihre Kosten decken, je mehr man von ihrer Steuerleistung für andere (allgemeine) Zwecke abzweigt.

Daß Wissenschaft nicht immer wertfrei ist, mag man bedauern oder nicht - es ist unvermeidlich. Nur denken sollte man daran - insbesondere in Vorwahlzeiten.

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