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Wie es zu Innitzers „Heil Hitler“ kam

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Die Ereignisse der Märztage von 1938 gehören zu den brisantesten Themen der österreichischen Zeitgeschichte. Der Aufruf der Bischöfe vom 18. März zur Volksabstimmung mit der Unterschrift aller österreichischen Bischöfe und Kardinal Innitzers „Heil Hitler“ auf dem dazugehörigen Begleitschreiben bildeten das Zentralthema eines Vortrages in Graz, zu dem Univ.-Prof. Dr. Karl Amon, Vorstand des Instituts für Kirchengeschichte der Theologischen Fakultät, Dr. Josef Himmelreich eingeladen hatte.

Der Versuch, die Ereignisse des März 1938 sachlich und emotionslos aufzuarbeiten, verlangte, einen Zeugen der damaligen Zeit und Hauptakteur zu hören. Himmelreich trat in jenen Tagen als Unterhändler des Gauleiters Josef Bürckel auf. Konnte aber später nur knapp selbst vor Verfolgung bewahrt werden. Ein kirchliches Ehrengerichtsverfahren hat er für sich entscheiden können.

Einleitend zitierte Dozent Karl Liebmann als Leiter der Arbeitsgruppe „Kirchliche Zeitgeschichte“ Aussagen neuerer Literatur über Josef Himmelreich. Dieser fungierte damals als Pressereferent des bayrischen Statthalters Ritter von Epp und war als Schwiegersohn des Kirchenmalers Gehard Fugel auch den Bischöfen bekannt. Er wurde von Gauleiter Bürckel mit den Verhandlungen mit den österreichischen Bischöfen beauftragt.

SS-Gruppenführer Reinhard Hey-drich, der Chef des Sicherheitsdienstes, hielt Himmelreich „für den gefährlichsten Spion der katholischen Kirche und größten Feind des Staates.“ Bürckel mußte seinen Beauftragten gegen die Gestapo in Schutz nehmen. In der Literatur wird Himmelreichs ehrliches Bemühen um eine Aussöhnung zwischen Staat und Kirche anerkannt, doch sei seine Vermittlertätigkeit, wie Liebmann ausführte, durch dauernde Eingriffe

nationalsozialistischer Stellen in ein schiefes Licht geraten.

Der heute 73jährige Augenzeuge jener Ereignisse erklärte eingangs, daß alle Bemühungen, „einen dauerhaften Frieden zwischen Staat und Kirche zu schaffen, keinen Erfolg hatten, ja aus heutiger Sicht ein Mißerfolg waren.“ Er habe damals als 33jähriger die Hoffnung gehabt, sich in Geheimverhandlungen.für die Befriedung zwischen Staat und Kirche, wegen der sich ständig verschlechternden Lage der Kirche, einsetzen zu können, wobei sich Idealismus und Ehrgeiz gepaart haben, wie er selbst zugibt.

Ehrgeiz, Idealismus, das Vertrauen der Bischöfe - zu großes Vertrauen, wie man heute sagen muß - und der Auftrag des Gauleiters Bürckel führ-

ten dann zum ganz merkwürdigen Ergebnis einer „feierlichen Erklärung“ und zum „Heil Hitler“ Innitzers, mit dem die Nationalsozialisten kräftig Propaganda machten.

Die Erklärung der Bischöfe lag schon ausformuliert vor, als Himmelreich am 17. März nach Wien kam. Auf eigenes Drängen wurde ihm die Anwesenheit bei der Unterzeichnung gestattet. Als Vertreter Bürckels nahm Klaus Selzner daran teil. Als nach der Unterschrift Kardinal Innit-zer Himmelreich fragte, was er von der Erklärung halte, antwortete dieser, sie sei zu schnell abgegeben worden und bedeute einen Blankoscheck für den Nationalsozialismus.

Innitzer schien recht betroffen zu sein. Himmelreich begründet heute die rasche Unterzeichnung mit „seelischer Pression, unter der die Bischöfe standen“, denn zu dieser Zeit habe es noch keinen politischen Druck auf die Kirche gegeben. Lediglich Bischof Pawlikowsky in Graz und Erzbischof Waitz in Salzburg hätten bereits Anzeichen eines beginnenden Drucks zu spüren bekommen.

Innitzer lud Himmelreich darauf, zum Kaffee am Nachmittag ein und bat ihn nun, die „feierliche Erklärung“ vom Vormittag von Gauleiter Bürckel nochmals zurückzuerbitten, um noch Änderungen vorzunehmen. Der Kardinal drängte und Himmelreich übermittelte sein Anliegen dem Gauleiter, der zunächst ablehnte, weil er die Erklärung bereits telefonisch an Hitler durchgegeben hatte. Dann aber willigte er ein, dem Papier

ein Vorwort beizufügen, wie Himmelreich vorschlug.

Bürckels Formulierung enthielt das Bibelzitat „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist“, womit der Gauleiter die Interessen der Kirche ausreichend gewahrt meinte. Himmelreich überbrachte diese Formulierung am 21. März dem Kardinal.

Himmelreich berichtete über das „Heil Hitler“ des Kardinals, das dann im In- und Ausland größtes Aufsehen erregt hatte: „Bürckel ließ sich die Kompromißbereitschaft bezahlen und Innitzer durch mich bitten, das Begleitschreiben mit ,Heil Hitler' zu unterzeichnen, das damals allgemein amtlicher Gruß war, um den Eindruck des etwas sonderbaren Vorwortes bei Hitler abzuschwächen.“

40 Jahre später bedauert Himmelreich, „daß mir damals nicht eingefallen ist, die schwierige Situation zu entschärfen, indem ich dem Kardinal geraten hätte, er solle mit .deutschem Gruß' unterzeichnen, denn der .deutsche Gruß' impliziere ja das ,Heil Hitler' “,

Himmelreich selbst gibt zu, was er damals gedacht hat: „Eine besondere Grußgeste des Kardinals an Hitler wäre nur vorteilhaft, denn im Glauben an die Zuverlässigkeit der Angaben Bürckels konnte ich damals noch der Ansicht sein, daß die sehr erwartete Verständigung zwischen Staat und Kirche auf breiterer Basis sich dadurch schneller realisieren ließe; ich war damals wirklich dieser vielleicht ideologischen Auffassung.“ Himmelreich spricht auch vom Rausch der Anschlußtage: „Dieser Rausch hat mich genauso hingerissen.“

Der Versuch, in Geheimverhandlungen zu einem modus vivendi zwischen Staat, Partei und Kirche zu gelangen, ist dann noch einmal Ende Juni 1938 gewagt worden. Damals wurden bei anfänglichen Erfolgen zum ersten-und einzigen Mal nicht nur der Staat, sondern auch die Partei in der Kirchenfrage verpflichtet, berichtet Himmelreich, allerdings habe es „hinterhältige und makabre Maßnahmen den Bischöfen unmöglich gemacht, weiter zu verhandeln“. Hier spielt Himmelreich auf die Aufhebung kirchlicher Organisationen, Vereine und Seminare an. Spätestens im Oktober war der Kirchenkampf in Österreich eindeutig.

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