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Zeitgenosse

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„Zuerst wollte ich eigentlich Medizin studieren, aber in den naturwissenschaftlichen Fächern hab' ich in der Schule eher Schwierigkeiten gehabt“, plaudert Univ.-Prof. Doktor Ludwig Adamovich, vor wenigen Tagen „für die Dauer der vorübergehenden Verhinderung des Sektionschefs Dr. Willibald Pahr vertretungsweise mit der Leitung der Sektion VI (Verfassungsdienst)“ des Bundeskanzleramtes betraut, im wahrsten Sinne des Wortes aus der Schule. Der neue „Kronjurist“ der Bundesregierung ist Träger eines berühmten Namens; seinen Vater kannte man als hervorragenden Beamten, als Hochschullehrer an den Universitäten von Prag, Graz und Wien, als Justizminister im letzten Kabinett Schuschnigg, als einen der Baumeister der österreichischen Verfassungsgeschichte und -lehre. „Das Ganze ist eine recht ambivalente Sache“, fügt Professor Adamovich versonnen hinzu, wenn er über seinen Vater erzählt: „Dieser Ver-gjeichgmaßstab ist gar nicht immer so angenehm.“

Ludwig Adamovich, Jahrgang 1932,geboren in Innsbruck, aufgewachsen in Graz und Wien, schloß als Mitarbeiter von Professor Graßberger an der Wiener Universität erste Bekanntschaft mit der wissenschaftlichen Arbeitgwelt, brachte eine Gerichtspraxis hinter sich, war einige Zeit an der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung tätig und landete schließlich am 1. Oktober 1956 als Beamter im Bundeskanzleramt, wo er dem vom späteren VerwalbungST gerichtshof-Präsidenten Dr. Loeben-stein geleiteten Verfassunigsdienst zugeteilt wurde. Während seiner Tätigkeit am Bundeskanzleramt habilitierte sich Adamovich auch an der Wiener Universiät.

Als Loebenstein am 15. Mai 1973 zum Verwaltungsgerichtshof übersiedelte, bahnte sich langsam eine recht heikle Situation an. Es ging um die Frage, wer Loebenstein nachfolgen sollte: Dr. Willibald Pahr oder Dr. Ludwig Adamovich? „Man konnte sehr schwer einen der beiden zum Nachfolger machen“, meint Adamovich heute, .deswegen hat man zunächst die Quadratur des Kreises versucht und uns beide mit der Leitung des Verfassungsdienstes betraut.“ Auf Dauer ging diese Lösung aber nicht gut, Adamovich sah sich auf Grund seines um zwei Jahre geringeren Dienstalters „in der Hinterhand“ und nahm in Aussicht, seine dienstliche Stellung zu ändern. Bald darauf nahm er eine ehrenvolle Berufung an die Universität Graz an.

Nunmehr vorläufig nach Wien zurückgekehrt, zeichnet Prof. Adamovich füraeine der brisantesten Sektionen in der Wiener Ministerial-bürokratie verantwortlich. Dem Verfassunigsdienst obliegt eine umfassende Gutachter- und Beratungs-tätiigkeit. Im Gegensatz zum Verf is-sungsgerichtshof fällt er keine Entscheidungen, wenngleich der Rechtsauskunft des Verfassungsdienstes tatsächlich ein recht beachtliches Gewicht zukommt. Der Verfassungsdienst hat teilweise selbst Geseze (vor allem Verfassungsgesetze) zu formulieren, den Bund, dem Verfassungsgerichtshof und den Ländern gegenüber zu vertreten. In die Kompetenz des Verfassungsdienstes fällt schließlich auch ein guter Teil der Minderheitenproblematik.

Hohe Anforderungen werden an den Verfassungsdienst und insbesondere an dessen Leiter auch durch seine vermittelnde Tätigkeit gestellt. Nicht selten liegt es an ihm, die gesetzgeberischen Wünsche der Bundesregierung oder der Regierungspartei mit jenen der Oppositionsparteien auf einen brauchbaren Nenner zu bringen. „Der Leiter dieser Sektion ist an Loyalität gegenüber dem Bundeskanzler gebunden, da gibt es nichts zu diskutieren. Ebenso selbstverständlich ist es aber, daß jeder Mensch eine persönliche Uberzeugung hat, wenn er nicht ein nackter Opportunist ist“, charakterisiert Adamovich seine schwierige Aufgabe. „Ich bin aber sicher, daß man das eine und das andere auf einen sauberen Nenner bringen kann.“ In diesem Zusammenhang fällt Adamovich auch die Debatte um den Abtreibungsparagraphen ein: „Gott sei Dank fällt mir das nicht auf den Kopf, das ist ja schon ausgestanden. Doch auch in diesem Fall müßte ich natürlich nach bestem Wissen und Gewissen juristische Argumente suchen und finden, um das namens der Bundesregierung zu verteidigen ... Das schließt subtile Nuancen bei der Wahl der Worte nicht aus... Aber auch ein Richter ist unabhängig von seiner persönlichen Uberzeugung an das Gesetz gebunden.“

Adamovich hält sich für einen Mann, der im Verfassungsdienst ein hohes Maß an Kontinuität gewährleisten kann. Er sieht sich selbst als jenen Fachmann, dem sowohl die Regierungspartei als auch die Oppositionsparteien mit Vertrauen gegenüberstehen. „Ich bin nicht dem Verdacht auagesetzt, eine hur einseitige Blickrichtung zu haben. Ich werde daher versuchen, am Herbeiführen der nötwendigen Kompromisse mitzuarbeiten.“ Adamovich, der etwa in “der Slowenenfrage vor gewaltigen Problemen steht, freut sich vorerst, nach zweijähriger Abwesenheit wieder im Bundeskanzleramt sein zu können: „Ich leugne nicht, daß ich damals schwer von hier weggegangen bin; aber ich denke auch mit einer gewissen Wehmut an die in Graz erfahrene akademische Freiheit.“

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