6840279-1975_39_18.jpg
Digital In Arbeit

Zwei politische Bücher

Werbung
Werbung
Werbung

Das Buch „Die Genossin“ von Klaus Rainer Röhl (Verlag Fritz Molden) ist weder ein Roman, als der er sich ausgibt, dafür aber ein „Tatsachen-Roman“, was im Vorwort ausdrücklich abgestritten wird.

Warum eigentlich? Ein Schwindel, der leicht zu durchschauen ist. „Die Genossin“ ist ein Schlüsselroman. Der Verfasser, ehemals verheiratet mit Ulrike Meinhof, hat eben sie — als Katharina Holt —, dürftig verkleidet, in den Mittelpunkt gestellt.

Überhaupt kommen fast alle mit der Meinhof liierten Personen vor, wenn auch unter anderem Namen, wie zum Beispiel Baader, die Enns-lin. Am Rande, unter ihrem eigenen Namen, gewissermaßen als Statisten, Personen wie Rudolf Augstein vom Spiegel.

Die Handlung gilt im wesentlichen den Ereignissen, wie wir sie seit Jahren aus den Zeitungen kennen, eingebettet in eine recht alberne Rah-menhandlung^ — Entführung der Frau des Bundeskanzlers, die erst freigegeben werden soll, wenn die gesamte Baader-Meinhof-Bande in Freiheit gesetzt wird. Was auch beinahe geschieht, aber vereitelt wird durch die Überwältigung der Entführer und vor allem durch das Abspringen der Meinhof. Die Bande wird ausgerottet, allerdings erst 1976.

Was das Buch interessant macht, ist, daß der Autor, wahrscheinlich gegen seine ursprüngliche Absicht, viel aus der Schule plaudert. Wir erfahren, daß die Baader-Meinhof-Bande vom Osten finanziert worden ist, wie das vor sich ging — und vermutlich noch vor sich geht.

Auch die Art, wie die Baader-Meinhof-Mitglieder miteinander verkehren, ist aufschlußreich. Insbesondere Baader kann keine Sprache sprechen, in der nicht Worte vorkommen, die man kaum drucken kann. „Scheiße“ ist noch das Minimum. Leider hat der Autor zumindest das miserable Deutsch von diesen Akteuren übernomenm.

Immerhin eine Geschichte, die, vermutlich entgegen den Interessen des Autors und aus Gründen, die er wohl kaum bedacht hat, nicht uninteressant ist.

Das kann man nicht von den soeben erschienenen „Spandauer Tagebüchern“ von Alfred Speer sagen. Hier handelt es sich um Notizen, die während zwanzig Jahren im Gefängnis entstanden und sukzessive aus Spandau herausgeschmuggelt worden sind (Verlag Ullstein, Berlin).

Das Buch zerfällt, was den Inhalt angeht, in zwei Teile. Da sind einmal die Reminiszenzen des Autors, Hitler, Himmler, Goebbels, Göring e tutti quanti. Sie sind aufschlußreich, und man erfährt geradezu Frappierendes, unter anderem wie primitiv Hitler im Grunde war.

Der Rest ist dem Benehmen und dem Schicksal der in Spandau Strafgefangenen Nazis gewidmet, und da gibt es viel Ärgerliches. Speer hält es für selbstverständlich, daß wir Mitleid empfinden für diese Großen des Dritten Reiches. Er hält es für hart, daß sie einige Jahre in einem Gefängnis sitzen müssen, sie, die nie protestierten, als unter ihrer Mitwisserschaft Millionen Menschen umgebracht wurden. Wo war da eine, auch nur einzige Stimme des Mitleids, von Protesten gar nicht zu reden? Zugegeben, die zwanzig Jahre, die dem Autor zudiktiert wurden, waren hart, vielleicht zu hart. Aber die anderen? Wollen wir Tränen des Mitleids für sie vergießen, die niemals eine einzige vergossen haben?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung