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Gerichtsverfahren in — Österreich?

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Vor einem Grazer Gericht — nicht vor einem in einem Barbarenstaat — wurde eine Frau, die mit ihrer 16jährigen Tochter einige Getreidediebstähle begangen haben sollte, freigesprochen. Der Hintergrund dieses kleinen Prozesses; im Zuge der Erhebungen über diese Diebtähle war die Tochter der Angeklagten, ein in der Einschicht aufgewachsenes Mädchen, verhaftet worden; in einem vierstündigen Verhör hatte es das Geständnis abgelegt, mit seiner Mutter die Diebstähle begangen zu haben. Vor dem Untersuchungsrichter und vor dem Gericht widerrief es diese Aussage; es gab an, daß es von den verhörenden Exekutivbeamten mit einem Ochsenziemer und der Überstellung in ein Arbeitshaus bedroht und solchermaßen zu dem Geständnis gezwungen worden sei. Das erwies sich bei neuerlichen Erhebungen als Tatsache —, bevor aber diese abermalige Untersuchung auf genommen wurde, war das Mädchen von einem Jugendgericht zu sechs Wochen strengen Arrests verurteilt worden. Es beging knapp vor seinem Srafantritt, nachdem es bis zur letzten Stunde seine Unschuld beteuert hatte, aus Scham über die angetane Schande Selbstmord. — An dieser kurzen Meldung ist alles, was nicht tragisch ist, abstoßend; die Art, in der das Mädchen zum Geständnis gezwungen und auf dessen Grund verurteilt wurde, wie die Weise, in der die Namen der an dieser bösartigen Rechtsübertretung Schuldigen verschwiegen wurden, und die Tatsache, daß außer einer kurzen Gerichtsaalnotiz in einer i Grazer Zeitung niemand und nichts auf die Ungeheuerlichkeit dieses Falles aufmerksam machte. Wir richten hier in all e r Öffentlichkeit an die zuständigen Behörden einigeFragen; Was ist geschehen, um die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen? Wie ist es möglich, daß bisher solche Zustände — Erpressung von Geständnissen, der geschilderte Fall entspricht vermutlich einer Übung — dem zuständigen Gerichtsvorstandverborgen bleiben konnten, und was ist geschehen, um allen „verhörenden Exekutivbeamten“ ins Gedächtnis zu rufen, daß jeder dafür haftet, daß die prozessualen Vorschriften eingehalten werden und Überschreitungen von jedem Amtsorgan mit dem Verlust von Freiheit und Stellung gebüßt werden.

In dem steirischen Fall ist ein junges Menschenleben abscheulichen Zuständen zum Opfer gefallen. Braucht ec mehr, um die Unerläßlichkeit der Aufhellung der Tatbestände und der zu folgernden Maßnahmen zu begründen? Hier gibt es kein Schweigen und Verschweigen mehr.

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