Jan Assmann - © Foto: APA / dpa / Silas Stein

Jan Assmann: Von der Ägyptologie zur Menschheitstheorie

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Ein Nachruf auf Jan Assmann, der als Kulturwissenschafter und Ägyptologe den akademischen Diskurs nachhaltig prägte.

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Ein Nachruf auf Jan Assmann, der als Kulturwissenschafter und Ägyptologe den akademischen Diskurs nachhaltig prägte.

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Er war der personifizierte Aufweis dafür, dass auch ein akademisches „Orchideenfach“ wie die Ägyptologie enorme gesellschaftliche Relevanz entwickeln konnte. Jan Assmann gehörte zu den führenden Intellektuellen im deutschen Sprachraum. Die kulturtheoretischen Überlegungen, die sich aus seinem Fach speisten, strahlten global über den akademischen Diskurs weit hinaus. Am 19. Februar ist Jan Assmann 85-jährig verstorben.

Von 1976 bis 2003 lehrte Assmann an der Universität Heidelberg. Seine aus seinen ägyptologischen Forschungen entwickelten und mit der Kompetenz eines Polyhistors ausgestatteten Bücher „Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen“ (1992) und „Religion und kulturelles Gedächtnis“ (2000) zählen zu den auch Laien zugänglichen Standardwerken, wie Vergangenheit in der Gegenwart hineinspielt. Aufregung rief Assmann mit seiner Theorie der „Mosaischen Unterscheidung“ (2003) hervor, in der er die Entstehung des Monotheismus mit dem Aufkommen der religiösen Gewalt in Verbindung brachte. Assmann sah sich dabei auch mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert, den er aber in der Folge entkräftete. Auch im FURCHE-Interview 2012 merkte er an, dass er keineswegs die Unausweichlichkeit von Gewalt im Monotheismus behauptet habe, sondern die Möglichkeit von Gewalt durch Religion, die bis heute fortwirke.

Denkerpaar Assmann

2015 näherte sich Assmann in seiner fulminanten Interpretation des biblischen Buches Exodus der Entstehung des Eingottglaubens als eines „Monotheismus der Treue“, der auch politische und gesellschaftliche Konsequenzen bis heute zeige. Vor allem die ideengeschichtliche Verbindung von den antiken Hochkulturen im alten Orient zu Denken und gesellschaftlichem Handeln heute und die Fähigkeit, dies auch außerhalb seines Fachpublikums plausibel zu machen, sind ein Verdienst Jan Assmanns, das nicht hoch genug einzuschätzen ist. Die Theorien des kulturellen Gedächtnisses wurden komplementär von Assmanns in Konstanz als Kultur- und Literaturwissenschafterin lehrenden Ehefrau Aleida mit entwickelt. Das Forscher- und Denkerpaar Assmann, das fünf Kinder hat, wurde für seine Erkenntnisse auch gemeinsam gewürdigt – so mit dem Theologischen Preis der Salzburger Hochschulwochen 2016 oder dem Karl-Jaspers-Preis 2017. Höhepunkt war zweifelsohne der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, den Jan und Aleida Assmann 2018 entgegennehmen konnten.

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