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Johann Georg Hamann: Sämtliche Werke

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Dem an dieser Stelle bereits gewürdigten ersten Band dieser Ausgabe folgt nun der zweite Band, der das Schaffen Hamanns in der Zeit zwischen seiner Rüdekehl von London (1758) bis zum Hubertusburger Friedensschluß (1763) enthält. Die .Gedanken über meinen Lebenslauf“ eröffnen den Band, in denen Hamann sein bisheriges Leben selbst darstellt und deutet. Dieser Selbstbiographie schließen sich vier Gruppen von Schriften (Philosophie, Philologie, Anthmetique poli-tique und Kritik) an. Die .Einfälle ein Original zu sein machen den Beschluß. Ein ausführlicher Apparat schließt den Band auf. Uber die Bedeutung der in diesen zweiten Band aufgenommenen Schriften braucht man nicht viel Worte zu machen; es genügt zu erwähnen, daß hier die Somatischen Denkwürdigkeiten“, die Kreuzzüge des Philologen“, die Magie aus Morgenlande“ und die Aesthe-tica in nuce“ anzutreffen sind. Das sind ganz besonders die Schriften, durch die Hamann sein Zeitalter revolutioniert hat. Wie schon beim ersten Band ist es auch bei diesem zweiten von hohem Nutzen, wenn man bei der Lektüie dieses bilderreichen und ironischen Schriftstellers von Gottes, der Bibel und der Griechen Gnaden Nadlers Hamann-Biographie zu Rate zieht, wodurch es dem Leser wesentlich erleichtert wird, die Grundgedanken, auf die 6s ankommt, von dem der Tagespolemik verpflichteten Rankenwerk zu säubern. Die Anlässe von Hamanns Schriften liegen meistens auf dem Kampfplatz der literarischen Zeitfehden, deren Extrakt sich aber zu gewaltigen Formulierungen von ewigem Gehalt aufsteigert. Das in diesem Band vereinigte Werkmaterial stellt die philologische und philosophische Grundlegung von Hamanns Weife dar. Es entwickelt die im ersten Bande im .Tagebuch eines Christen“ empfangenen Fragestellungen. Alles von Hamann später ausgebaute Gedankengut ist hier in diesem Band bereits zur ersten Entfaltung gebracht: seine Geschichtsphilosophie, seine Theorie der Bibelphilologie, seine Lehre von der Ur-offenbarung und ganz besonders seine Metbode, das hellenische Altertum unter christlichen Aspekt zu stellen, Griechen und Juden als Hüter der gleichen Uroffenbarung aufzufassen. Humes Vernunftskepsis wird zu einet Apologie des Glauben. Hamanns Polemik gegen Descartes verkehrt dessen cogito ergo sum“ in ein sum, ergo cogito“ i schließlich kommt Hamanns Vorstellung ei“ ars sacra sowie seine eschatologische Geschichtsauffassung deutlich zum Ausdruck. Die französische Abteilung des Bandes, die Arith-metique politique“ zeigt Hamann als Volkswirtschaftler und als entschiedenen Gegner Friedrichs It., dessen Finanzpraxis Hamann als Zollbeamter aus nächster Nähe studieren konnte. Uberhaupt wird an diesem Bande offenbar, in- welch hohem Maße Hamann Polemiker und Satiriker war, der gleich Lessing eine scharfe Klinge iührte. Ähnlich Lessing bedarf es erst dieses polemischen Anlasses, um Hamann die Feder in die Hand zu drücken Damit erhalten die Schriften Hamanns das Air von Kampfschriften, von Pamphleten, die im Namen einer erkannten Wahrheit zu Felde zieht. Das ist kein einsamer Philosoph, sondern ein Kämpfer der Zeit. Der beigeschlossene Apparat versäumt denn auch nicht, die Anlässe der Polemik gewissenhaft anzumerken. Dieser Apparat stellt, wie beim ersten Band, das Ergebnis gewaltiger

Arbeit dar, die vor allem die vielen, heute kaum mehr verständlichen Anspielungen aufschließt. Allerdings wird man das Erscheinen des letzten Bandes dieser Ausgabe abzuwar-, ten haben, bevor man sieh ernsthaft mit der Lektüre dieses nicht immer mühelos sich erschließenden Schriftstellers abgibt: dieser letzte Band wird durch sein Hamann-Wörterbuch den eigentlichen Behelf zur Lektüre darstellen. Es ist überflüssig, auf die außerordentliche Bedeutung dieser Edition noch besonders aufmerksam zu machen. Wenn diese Hamann-Ausgabe einmal abgeschlossen vorliegen wird, wird Hamann erst ganz erkannt sein. Man wird Herder neu. sehen lernen und auf die Genesis der Romantik wird mehr als ein neues Licht fallen.

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