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EU-Wahl

DISKURS
12. Juni 1994: Ring frei für Europa - Kein Fußballsieg Österreichs, sondern das Ja für den EU-Beitritt am 12. Juni 1994 verwandelte die Wiener Ringstraße in ein Ringelspiel. - © picturedesk.com / APA / Kelly Schöbitz

Franz Fischler: „Ohne EU-Chance holt uns der Teufel“

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Vor 30 Jahren, am 12. Juni 1994, stimmte Österreich über den EU-Beitritt ab. Franz Fischler, damals Landwirtschaftsminister und später Kommissar, über einstige Widerstände und deren Überwindung.

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Vor 30 Jahren, am 12. Juni 1994, stimmte Österreich über den EU-Beitritt ab. Franz Fischler, damals Landwirtschaftsminister und später Kommissar, über einstige Widerstände und deren Überwindung.

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An den Themen Transit und Landwirtschaft drohte die Schlussrunde der EU-Beitrittsverhandlungen zu scheitern. Als Tiroler und Landwirtschaftsminister war Franz Fischler (ÖVP) in beide involviert. Im FURCHE-Gespräch erinnert er sich.

DIE FURCHE: Herr Fischler, was war vor 30 Jahren fordernder, die Beitrittsverhandlungen in Brüssel oder die Überzeugungsarbeit in Österreich?

Franz Fischler: Das Aufwändigere war sicher die Überzeugungsarbeit zu Hause. Vor und nach den Schlussverhandlungen in Brüssel gab es landauf, landab viele Veranstaltungen, in denen wir als Regierung, aber auch die Sozialpartner, oder in meinem Bereich die Agrarlandesräte und viele andere erklärten, was der EU-Beitritt, aber auch der Nichtbeitritt bedeuten.

DIE FURCHE: Am skeptischsten waren die Gewerkschaften und die Bauern. Wie konnten diese Gruppen gewonnen werden?

Fischler: Bundeskanzler Franz Vranitzky musste das Verhandlungsergebnis den Gewerkschaften verkaufen. Das war nicht einfach, woran er vorige Woche bei einer Veranstaltung in der Hofburg zum 30-Jahr-Jubiläum des Referendums wieder erinnerte. Das Ergebnis den Bauern zu vermitteln, war auch nicht leicht. Ich war ständig unterwegs. Die erste große Versammlung nach der Rückkehr aus Brüssel fand in einem Gasthof in der Steiermark statt. Das Interesse war riesig, der Saal fasste 700 Personen, war brechend voll und vor den offenen Fenstern standen Menschentrauben. Ich versuchte mit realistischen Einschätzungen zu erklären, was auf die Leute zukommt, Vertrauen zu gewinnen. Denn die größte Gefahr, die auch die Gegner des Beitritts nutzten, war, dass die Bauern sagten: Der erzählt uns schöne Geschichten, aber wer weiß, ob das stimmt.

DIE FURCHE: Womit konnten Sie überzeugen?

Fischler: Am besten funktionierte, das Verhandlungsergebnis an der Realität verschiedener unterschiedlich betroffener Bauernhöfe zu messen. Wir haben durchgerechnet, was diese Bauern mit und ohne EU-Beitritt verdienten. In den Fällen, wo infolge des Beitritts ein Minus herauskam, konnten wir zeigen, wie diese Einkommensverluste zum Beispiel durch neue Förderungen und Umstellungen ausgeglichen werden können. Aber über allem stand die Frage: Wohin wollen wir überhaupt mit der österreichischen Landwirtschaft nach dem EU-Beitritt?

DIE FURCHE: Wohin?

Fischler: Eines leuchtete jedem Bauern ein: Wenn wir nur Standardware erzeugen, wenn wir in der gleichen Qualität wie ein britischer, französischer oder spanischer Großbetrieb produzieren, haben wir keine Chance. Also mussten wir in die Veredelung gehen, hin zu mehr Qualität. Da habe ich das Motto vom „Feinkostladen Österreich“ erfunden. Noch heute hat Österreich – mit großem Abstand – den höchsten Anteil an Biobauern in Europa.

DIE FURCHE: Ab wann waren Sie selbst der Meinung, dass Österreich in die EU gehört?

Fischler: Seit meiner Teilnahme an den Verhandlungen der Uruguay- Runde 1990, die zur Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) führten. Für einen Abschluss verlangte man von uns, die produktionsfördernden Maßnahmen einzugrenzen, Exportsubventionen abzubauen und den Außenschutz gegen Importe zu reduzieren. In der Folge sanken die Preise...

DIE FURCHE: ...weil erstmals weltweit neben den anderen Handelsbereichen auch für die Landwirtschaft die Prinzipien des Freihandels galten. Was bedeutete das für Österreich?

Fischler: Das konnte man sich leicht ausrechnen, denn sowohl unsere garantierten Preise als auch unser Außenschutz waren noch höher als in der EU. Mir war klar: Wenn wir auf uns allein gestellt diese Sache bewältigen müssen, ohne dass wir neue Märkte finden, dann sind wir auf verlorenem Posten. Denn ob jetzt der Druck aus der EU kommt oder von der WTO, ist das Gleiche. Aber die EU bedeutete nicht nur Druck, sondern sie bot auch eine Chance, weil mit einem Beitritt die bisherigen Exportbarrieren fallen würden und wir auch in den EU-Raum exportieren durften.

DIE FURCHE: Das machte Sie zum Beitrittsbefürworter?

Fischler: Da habe ich gewusst, die einzige Chance, die wir haben, ist der EU beizutreten. Wenn wir die nicht ergreifen, dann holt uns der Teufel. Doch in Österreich gab es wenig Bewusstsein, dass das alternativlos ist. Aber diejenigen, die sich auskannten, wussten, was kommt, wenn Österreichs Landwirtschaft auf sich allein gestellt agieren müsste.

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