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EU-Wahl

DISKURS
Kirche, EU, Europa, Hände - © Foto: Wolfgang Machreich

Zwischen Demokratie und Dracula: Europas Kirchen und der EU-Wahlkampf

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Ein Glaube, viele politische Interpretationen: Die EU-Positionen der Kirchen in den Mitgliedsländern zeigen eine große Bandbreite. Im europäischen Verbund setzt sich aber die Pro-EU-Linie durch.

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Ein Glaube, viele politische Interpretationen: Die EU-Positionen der Kirchen in den Mitgliedsländern zeigen eine große Bandbreite. Im europäischen Verbund setzt sich aber die Pro-EU-Linie durch.

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Wahlplakate überschreiten oft die Grenze des inhaltlich wie ästhetisch Erträglichen. Die Partei „Allianz für die Vereinigung der Rumänen“ (AUR) gewinnt aber in beiderlei Hinsicht den Titel Europameister für die ärgste Kampagne dieser Europawahl. Die rechtsextreme AUR wirbt auf ihren Plakaten mit dem Bild von Vlad III. Drăculea und präsentierte ihre Kandidaten für das Europaparlament in der Nähe des Grabes der historischen Vorlage für den Vampir. Für die AUR ist der Walachei-Fürst aus dem 15. Jahrhundert, „Pfähler“ genannt, das Vorbild für den „Kampf gegen die Globalisten und Satanisten“ in der EU-Kommission.

„Unsere Armee von Kreuzrittern wird nach Brüssel ziehen, um gegen diejenigen zu kämpfen, die versuchen, die Normalität neu zu definieren, die Heiligkeit der Kirche zu untergraben und das Erbe unserer Vorfahren zu beschmutzen“, beschreibt ein Kandidat das AUR-Programm, das laut dem europaweiten Nachrichtenportal Euractiv vor allem bei der Jugend auf Zustimmung stößt. Umfragen sehen die AUR bei der EU-Wahl unter den drei führenden Parteien.

Die rumänisch-orthodoxe Kirche ist ein wichtiger Machtfaktor im Land, über 80 Prozent der Bevölkerung gehören ihr an. Offiziell verbietet die Synode in Bukarest, dass ihre Geistlichen Wahlvorschläge abgeben. Korrespondentenberichte zeichnen aber ein anderes Bild, beschreiben Kirchenfunktionäre als wichtige Multiplikatoren politischer Inhalte, auch für extreme Parteien wie die AUR.

„Gegen dekadentes Europa“

Ein Gastredner am Drăculea-Grab war ein polnischer Europaabgeordneter der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS). Der zog Parallelen zwischen den Kämpfen Polens und Rumäniens unter kommunistischer Herrschaft und der aktuellen Bedrohung durch die EU, die einer „neomarxistischen Agenda“ und der „Erosion der nationalen Identität“ Vorschub leiste. Dass die katholischen Bischöfe in Polen mehrheitlich mit der im Vorjahr abgewählten PiS-Regierung sympathisierten, zeigte sich erwartbar bei der Verschärfung des Abtreibungsverbots, überraschte aber angesichts der PiS-Angriffe gegen Werte der liberalen Demokratie wie Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit. „In der Bischofskonferenz sind fast alle auf PiS-Kurs – ich höre keine Stimme, die mich dort vertreten würde“, beschrieb die in der Solidarność-Bewegung aktive katholische Publizistin und heutige liberale Europaabgeordnete Róża Thun im FURCHE-Interview die polnische Kirchenpolitik.

Gleiches gilt für das katholische Ungarn von Viktor Orbán, das den Premier als „leuchtende Fackel im dekadenten Europa und einer unchristlich gewordenen Welt“ feiert. Anlässlich des Papstbesuchs in Ungarn voriges Jahr erklärte der Sprecher der Ungarischen Bischofskonferenz, Csaba Török, die finanzielle Abhängigkeit als Grund für dieses Nahverhältnis. Angesprochen auf die Flüchtlings- und Migrationspolitik antwortete Török der italienischen katholischen Nachrichtenagentur SIR: „Auf der Ebene der Bischöfe und der Bischofskonferenz hält sich die ungarische Kirche an die Vorgaben der Regierung und versucht, sich der Situation anzupassen.“ Gleichzeitig würden aber einzelne Gläubige, Pfarrgemeinden und NGOs Hilfe leisten, „um eine Antwort auf diese Situation im Sinne des Evangeliums zu geben“.

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