Ernst Strasser: Selbst zum Flüchtenden geworden

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Ihr Ziel sei es immer gewesen, sagte die frühere Außenministerin Benita Ferrero-Waldner kurz vor ihrem Abgang zur EU-Kommission nach Brüssel, bei einem Ausscheiden aus dem Amt das Ministerium durch den Vordereingang und mit erhobenem Haupt verlassen zu können. Sie wolle sich nicht wegschleichen müssen oder gar davongejagt werden - und Ferrero-Waldner hat ihr Ziel erreicht. Auch Ex-Innenminister Ernst Strasser brauchte sein Ministerium nicht durch die Hintertür zu verlassen, aber sein Abschied aus dem Amt gleicht mehr einer Flucht, einem "Götz-Zitat-Auf-und-Davon" als einem geregelten Abgang von der politischen Bühne.

Everybody's Darling

Rückblick ins Wendejahr 2000: Die Regierung hatte Journalisten zum Regierungsheurigen nach Grinzing eingeladen: Charmeoffensive war angesagt, die Wendebefürworter sollten in ihrer guten Meinung bestärkt, die Wendegegner mit "Wir-sindja-gar-nicht-so-schlimm-Parolen" umgarnt werden. Everybody's Darling an diesem Abend war Ernst Strasser. Sein Haarschopf stand damals noch keck in die Luft, und mit seiner Politik hatte er ein tolles Standing in der Runde: Die einen mochten ihn, weil er zum Wendeteam gehörte, und die anderen schätzten ihn, weil er die Donnerstagsdemonstranten mit Polizei-Eskorte durch Wien wandern und pfeifen ließ, sich mit SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer zum Abendessen traf und nebenbei keine Gelegenheit ausließ, der FPÖ mit einer schonungslosen Aufklärung der Spitzelaffäre zu drohen. Einen Caritas-Lehrling nannte ihn zu der Zeit Jörg Haider, und der damalige FP-Klubchef Peter Westenthaler schimpfte Strasser "Reserve-Sheriff" und "linken Tagträumer" - bis, ja bis sich Westenthaler und Strasser nicht nur beim Haarschnitt, sondern auch in der Ausländer- und Flüchtlingspolitik immer mehr angenähert hatten.

Mit der zweiten Jahreshälfte 2001 wurde Strasser ein anderer, stand er für eine andere Politik als vorher: Von da an waren Österreichs Grenzen für ihn Scheunentore, die zugemacht werden müssen. Und dann war da noch sein "Hausverstand und Augenmaß"-Argument, mit dem er jeder Einrede widersprach: egal ob es sich um Integrationspolitik, Asylgesetzgebung oder die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie handelte.

Papst-Orden ja, Caritas nein

Strasser ließ sich zwar noch gerne einen Papst-Orden umhängen, die Aggressivität, mit der er bei einem Interview allein auf das Wort "Caritas" reagierte, zeigte aber, wie sehr er mit seiner christlich-sozial-liberalen Herkunft über Kreuz war. "Ein Fehler, den ich so nicht wiederholen würde, ist, dass ich zu wenig auf die Befindlichkeiten der Hilfsorganisationen eingegangen bin. Da habe ich manchmal zu wenig Geduld bewiesen", ließ sich Strasser jetzt zu einem Schuldeingeständnis hinreißen. Zu spät für ihn, zu spät aber vor allem für jene Flüchtlinge, die sich durch keinen Rücktritt aus der Affäre und in ein neues Leben verabschieden können.

Beim Regierungsheurigen im Jahr 2000 zog Strasser über zwei SPÖ-Politikerinnen her und sagte: "Sie können es einfach nicht, und sie lernen es nie." 2004 ist man geneigt, über ihn, Ernst Strasser, das selbe zu sagen.

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