Lebenslügen der Ausländerpolitik

Werbung
Werbung
Werbung

Ein Ort und ein Mensch entblößen die Lügen in der Ausländerpolitik. Der Ort Eberau, das lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, wird nicht Standort eines dritten Erstaufnahmezentrums für Asylanten. Der Mensch Arigona Zogaj, auch das scheint wahrscheinlich zu sein, lebt vorerst der Abschiebung entgegen. Alle Lügen, alle Verlogenheiten in der Ausländerpolitik – alleine der Begriff ist der Beginn dafür, Menschen zu verdinglichen, zu versachlichen, zu verakten sozusagen – werden an Eberau und an Arigona Zogaj offenbar.

Doppelmoral und Gegenmoral

Es beginnt mit der Doppelmoral Österreichs, Flüchtlinge und Schutzbedürftige seien jederzeit willkommen, würden hier Herberge finden. Das stimmt, ist aber nur die Hälfte der Wahrheit. Die andere besteht im Druck auf die Ankömmlinge, sich bitte doch als Durchreisende zu sehen und ehestmöglich weiter zu reisen.

Diese Schattenseite der Moral versuchten wahrlich gute Menschen mit der strahlenden Sonne ihrer hellen Moral auszuleuchten. Als es schon längst nicht mehr nur um Flüchtlinge ging, sondern um definitive Zuwanderung, wurde dieser Doppelmoral eine Gegenmoral entgegengesetzt. So entstand die groteske Situation, dass alles an Ausländern, Flüchtlingen, Zugewanderten von Links gegenüber Rechts, von guten vor schlechte Menschen ins Schutz genommen wurde. Von dieser Spaltung unserer Gesellschaft durch die letzten gut zwanzig bis dreißig Jahre hindurch haben wir uns bis heute nicht erholt. Ganz im Gegenteil. Der Graben zwischen diesen Lagern ist so breit und so tief, dass Eberau und Zogaj mitsamt der Asyl- und Integrationsthematik auf Nimmerwiedersehen hineinzufallen drohen. Wir indes stehen fassungslos am Rand des Grabens.

Es ist, einmal mehr, ein enormes Durcheinander entstanden. Ein Chaos der Themen, ein Missbrauch der Begriffe, ein Ersatz des Verstandes durch das Gefühl.

Noch immer wird in der öffentlichen Debatte nicht ausreichend zwischen den Begriffen Asyl, Zuwanderung und Integration unterschieden. Die Sache wird wild vermischt, mit Kriminalität angereichert, mit Fragen der inneren Sicherheit politisch gewürzt und gelangt solcherart als ungenießbares Menü auf den Tisch der Öffentlichkeit. Vor diesem stehen wir jetzt.

Sage keiner, es ginge nicht anders. Die Bundesregierung hat in ihrem Programm zu dieser Gemengelage brauchbare Ansätze und Projekte formuliert. Sie ist aber offenbar nicht imstande, sich auf eine Vorgangsweise zur Umsetzung zu einigen, weswegen das Projekt feststeckt, und zwar am Ende einer engen Sackgasse. Dorthin gebracht hat sie die volle Kraft aus der Schubumkehr des Föderalismus, die vom Regierungskapitän angeordnet wurde, nachdem das Innenministerium zuvor die Sackgasse für eine weiterführende Fahrbahn gehalten hatte. Doch die Länder werden der Regierung nicht helfen. Das haben die Wortführer des Populismus, die Landeshauptleute Dörfler und Niessl, bereits klargestellt.

Ordnung und Klarheit in der Sache

Grenzüberschreitende Kriminalität darf Grenzübertritte von Menschen, als Flüchtlinge oder als Migranten, nicht diskreditieren. Politik hat für diese Klarstellung zu sorgen. Die Verwaltung hat die monatlich gut tausend neuen Asylanträge rasch zu bearbeiten. Mit allen verfügbaren Mitteln, auch jenen zur Feststellung des Alters des Asylwerbers. Für Zuwanderer hat Österreich offen zu sein, ihnen die Möglichkeiten der Integration zu bieten, die sie ihrerseits offensiv zu nutzen haben. Neue Asylanten sind in der örtlichen Nähe zentraler Administration, dann regional gestreut unterzubringen.

Bleibt die Causa Arigona. An ihr haben sich alle, wirklich alle vergangen. Behörden, Medien und Politik. Sie sollte aus diesen besonderen Gründen als Entschuldigung und als Entschädigung bleiben dürfen. Unerwünschte Beispielsfolgen sind kaum zu erwarten. Eher die Hoffnung, dass unter der Schicht an Lügen etwas Wahrheit durchschimmert.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung