Das natürliche Heimatrecht

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Der Fall Arigona Zogaj nimmt seinen absurden Lauf. Die Mängel der Rechtsprechung, die sich in dem Verfahren gezeigt haben, lassen das Beharren auf „Gesetz ist Gesetz“ nicht mehr gelten. Es muss zu einer grundlegenden Reform kommen.

Gesetze werden von jeher nicht nur gemacht, um die Bürger eines Staates vor Gewalt und Raub zu schützen, sondern auch, um grundsätzliche Werte einer Gesellschaft zu hüten. Dazu gehören in westlichen Demokratien vor allem die Menschenrechte. Tragisch wird es, wenn Gesetze produzierende Politiker diese Grundfesten des Zusammenlebens vergessen – wie im Fall der hiesigen Ausländergesetzgebung.

Das Trauerspiel um Arigona Zogaj findet ja in diesen Tagen mit der erzwungenen „freiwilligen Ausreise“ der jungen Frau einen neuen peinlichen Höhepunkt, dem ein weiterer folgen wird: Die quasi mit der Ausweisung verknüpfte legale Rückkehr Arigonas nach Österreich. Sollte man es dabei bewenden lassen, nach dem Motto „das Mädel soll wiederkommen, heiraten, Kinder kriegen, Friseurin und Staatsbürgerin werden und Schwamm drüber“? Das wäre zu einfach, denn die Absurdität der Rechtsprechung bliebe bestehen. Sie betrifft noch Hunderte andere, die im Gegensatz zum Fall Zogaj das Pech haben, dass sie nicht alle Merkmale eines Covergirls erfüllen und deshalb unbeachtet bleiben.

Steuerzahler-Vertreibung

Wie denn, darf man fragen, soll ein mit widersinnigen Gesetzen gespicktes Fremdenwesen in Zukunft funktionieren? Soll es dabei bleiben, dass junge, arbeitswillige Menschen, die hier teuer ausgebildet wurden, aus dem Land gewiesen werden? Friseurinnen, Ärzte, Computertechniker? Kann sich das Land das leisten? Gesetzlich ja, demografisch und wirtschaftlich aber nicht: 2050 wird Österreich um 500.000 arbeitskräftige Steuerzahler weniger haben als heute, die Zahl der Pensionisten wird um eine Million auf mehr als drei Millionen gestiegen sein. Will man beim Einzelfall bleiben, dann hätte Arigona Zogaj bis 2050 über Steuern wohl mehr als nur ein paar Tausend Euro in die Staatskasse gezahlt.

Natürlich entspricht diese kalte Rechnung nicht dem heiß geübten Rehaugen-Vergeltungssystem Österreichs. Umso anhaltender ist jedoch der Erfolg des Kalkulationsmodells in klassischen Asyl- und Einwanderungsländern wie Kanada und Australien. Dort wird Integration mit gezielter Auswahl, Sprach- und Kompetenzförderung für den Eingewanderten betrieben. Zu einem Fall Zogaj wäre es dort nicht gekommen – denn selbst die Ausweisung der Familie wäre binnen Wochen erfolgt und hätte so früh für die nötige Klarheit gesorgt.

In den genannten Ländern ist es im Gegensatz zu Österreich auch nicht üblich, Asylwerber, die jedes Kriterium der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen, in Schubhaft zu nehmen, während ein ganzer Beamtenapparat nach einem Drittstaat sucht, wohin man die Traumatisierten möglichst billig abschieben kann. Gesetzlich mag das gedeckt sein. Aber hinter der legalen Fassade sinken besudelt jene Werte nieder, die das Abendland angeblich zusammenhalten: Aufklärung und Menschenrecht.

Die Bankrotterklärung

Dass jüngst ein 16-jähriger Afghane, dessen einziger Fehler darin bestand, in Österreich auf Schutz zu hoffen, nach 14 Tagen Schubhaft einen Selbstmordversuch unternahm und dabei schwere Hirnschäden davontrug, wird offenbar als einer von vielen vertretbaren Kollateralschäden hingenommen. Doch in Wahrheit ist das die Bankrotterklärung des Systems.

Wäre die Politik entscheidungsfähig und würde sie nicht die Wähler beständig mit der Illusion von der kleinen heilen Alpenwelt füttern, sie müsste eingestehen: Die Asyl- und Fremdengesetze betrügen in viel zu vielen Fällen die Asylsuchenden und stellen noch immer Hunderte Integrationswillige unter permanente Ausweisungsangst. Ein solches System ist im torbergschen Sinne nur noch „ein Zustand“, der sich selbst verwaltet. Nichts aber, was sich an Mängeln in der Causa Arigona gezeigt hat, rechtfertigt das Beharren auf dem Grundsatz „Gesetz ist Gesetz“ – solange dieses Gesetz bedeutet, dass nur Advokatentricks, Medienkampagnen oder „humanitäre“ politische Gnadenakte das natürliche Recht auf Heimat herstellen können.

* oliver.tanzer@furche.at

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