Asylpolitik ist Politik

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Der Streit um die Abschiebung der pakistanischen Flüchtlinge erinnert schmerzlich an die Causa Arigona. Medial gesteuerte Erregung unterläuft Politik und Rechtsstaat.

Der Verdacht, dass sich unter den "Votivkirchen-Flüchtlingen“ auch Schlepper befunden haben, wirft noch einmal ein ganz anderes Licht auf die unendliche Geschichte. Wenn es denn stimmt, verdeutlicht das zusätzlich, wie schmal der Grat rationalen und verantwortlichen Agierens in diesen Dingen ist: Auf der einen Seite gibt es da wohl viel Naivität und gewiss auch bewusstes Wegschauen bzw. Nicht-so-genau-wissen-Wollen - gar nicht zu reden von der politisch-ideologischen Instrumentalisierung: Wer manchen Pro-Asyl-Aktivisten zuhört, könnte den Eindruck gewinnen, hier sei von Ägypten & Co. die Rede. Auf der anderen Seite darf natürlich nicht kriminelles Handeln zu Pauschalurteilen führen, denen zufolge "Asyl“ sich gar nicht anders denn mit dem Zusatz "-missbrauch“ buchstabieren ließe.

Je erhitzter und ideologisch aufgeladener ein Thema ist, desto mehr ist das Herunterkühlen auf die Betriebstemperatur des Rechtsstaats geboten. Gerade weil die Herzen heiß sind, müssen die Köpfe kühl bleiben - das ist die Basis moderner demokratischer Staaten. Um Willkür, Faustrecht u. ä. hintanzuhalten, wurden unabhängige Gerichte erfunden. Ein zivilisatorischer Fortschritt ersten Ranges.

Politmediale Inszenierungen

In medial gesteuerten Erregungsgesellschaften, zu denen unsere Demokratien tendenziell verkommen sind, laufen diese Prinzipien indes stets Gefahr unterminiert zu werden. Das zeigt sich leider auch beim Thema Asyl. Die Votivkirchen-Causa erinnert in vielem schmerzlich an den Fall Arigona Zogaj, auch wenn wir es hier mit einem Kollektiv von Personen zu tun haben. Damals wie jetzt geht es nicht darum, dass Wohl und Wehe der Republik von Verbleib oder Abschiebung der betreffenden Personen abhinge. Irritierend und hochproblematisch ist vielmehr, wie politmediale Inszenierungen Politik und Rechtsstaat zu unterlaufen drohen. Wenn die Frage, ob jemand in Österreich bleiben darf, davon abhängt, wie weit es gelingt, öffentliche Betroffenheit zu generieren, steht es schlecht um das Gemeinwesen. Und weil es in diesem Zusammenhang gerne ins Spiel gebracht wird: Das Prinzip "Gnade vor Recht“ ist seinem Wesen nach ein feudales, vordemokratisches, weswegen bei seiner Anwendung größtmögliche Behutsamkeit und Zurückhaltung angebracht ist. Wer der Meinung ist, dass das Gesetz zu hart ist, muss sich für dessen Änderung einsetzen, nicht für "Gnade“ (oder deren österreichische augenzwinkernde Variante).

Österreichische Besonderheiten

Womit wir beim springenden Punkt sind: Denn eine sachliche Diskussion überAsylpolitik scheint hierzulande noch weniger als anderswo möglich. Das hat mit der strukturell großkoalitionären Verfasstheit dieses Landes ebenso zu tun wie mit dem Fehlen einer ernstzunehmenden politischen Formation im recht(sliberal)en Feld des politischen Spektrums jenseits der ÖVP - und natürlich mit der von einem in politicis tendenziösen ORF und einem vulgärsozialistisch agierenden Boulevard geprägten österreichischen Medienrealität. Auch die Frage, ob manche NGOs dieses Spiel nicht allzu bereitwillig mitspielen anstatt dagegenzuhalten, muss erlaubt sein.

"Benenne die Politik, die nicht scheitern wird“ - dieses Sloterdijk’sche Postulat mag für die Asylpolitik besonders schwierig umzusetzen sein. Umso dringlicher wäre es freilich darum entschieden zu ringen. Dabei muss klar sein, dass es auch und gerade eine Asyl-Politik ohne Härten nicht geben kann. Aber wie auch sonst gilt hier: Von klaren Rahmenbedingungen und konsequenter wie transparenter Handhabung profitieren immer noch die meisten. Die Alternative dazu ist, dass langfristig alle verlieren: die "Votivkirche“ als Dauerzustand, gewissermaßen.

rudolf.mitloehner@furche.at

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