Arigonas verlorene Ehre

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Nach allem, was den Zogajs widerfahren ist, wäre ein humanitäres Bleiberecht angemessen. Aber: Es muss alles getan werden, solche Causae künftig zu vermeiden. Fälle wie dieser unterhöhlen Rechtsstaat und Demokratie.

Nun rät also auch Pfarrer Friedl Arigona zur freiwilligen Ausreise. In der leidigen Causa gibt es offenkundig einen nationalen Schulterschluss, den, wie könnte es anders sein, jene Zeitung, die gewissermaßen die Nation im Titel trägt, formuliert hat. Weil es aber Wolfgang Fellner ist, muss es natürlich ein „Geheim-Plan“ sein: „Arigona darf legal einreisen“ …

Im Fall der Familie Zogaj mit der mittlerweile 18-jährigen Arigona Z. als Symbolfigur ist so ziemlich alles schiefgelaufen, was nur schief laufen kann. Nach allem, was Arigona und ihre Familie mitgemacht haben, scheint nur ein Weg gangbar: ein humanitäres Bleiberecht für Arigona, ihre jüngeren Geschwister und ihre Mutter. Gleichzeitig aber wäre alles zu tun, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholt. Sprich, dass es künftig nicht mehr möglich ist, gültige Asylbescheide zu unterlaufen und damit gewissermaßen über die Jahre jenen Status an Integration zu erreichen, der eine Abschiebung dann zumindest menschlich-moralisch nahezu unmöglich macht.

„Beharrliche Missachtung“

Ein auch nur oberflächlicher Blick auf die Chronologie der Ereignisse seit Mai 2001 – als Vater Zogaj illegal nach Österreich eingereist ist – zeigt, wie die Sache unrettbar verpfuscht wurde. Er zeigt auch, dass die jüngste Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs gar nicht anders fallen konnte. Glasklar haben die Höchstrichter festgehalten, „dass ein alleine durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus dem Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Privat- und Familienleben) bewirken kann“.

In dieser „beharrlichen Missachtung“ wurden die Zogajs freilich massiv unterstützt und teilweise instrumentalisiert. Zugespitzt formuliert, ließe sich sagen, dass Arigona jedenfalls auch ein Opfer der Herren Fellner, Friedl und Blum ist. Die Zeitung Österreich – aber auch andere, insbesondere der ORF – haben Arigona schamlos ausgebeutet, ihre „Story“ pseudomoralisch überfrachtet und damit die an sich schon belastende Situation von Arigona und ihrer Mutter psychisch zum Äußersten getrieben. Bildlich gesprochen: Einige Medien haben erst jene „Rehlein-Augen“ kreiert, auf die sich dann Innenministerin Fekter zynisch bezogen hat.

Anwälte wie Helmut Blum sind es, die durch immer neue juristische Finten für jene Prolongation der Asylverfahren sorgen, die sie und ihre Sympathisanten gerne wortreich beklagen. Zu Letzteren zählen auch Leute wie der Ungenacher Pfarrer Josef Friedl, der freilich zum Teil selbst ein Opfer der medialen Sekundärausbeutung des Falles wurde. Ein schlichter Landpfarrer, der in keiner Weise der politisch-öffentlichen Dimension der Causa Zogaj gewachsen war, eine willkommene Galionsfigur für die (vermeintlich) Wohlmeinenden und in dieser Rolle, dem grellen öffentlichen Licht ausgesetzt, heillos überfordert – zumal sich in seiner Person dann noch das Asylthema mit dem kirchenpolitisch „heißen Eisen“ Zölibat überkreuzte …

„Gnade vor Recht“ als Ausnahme

Als eine Art Wiedergutmachung für all das wäre also ein humanitäres Bleiberecht angemessen – selbst wenn niemand, auch die Zogajs nicht, nur Opfer ist. Aber Fälle wie dieser unterhöhlen Rechtsstaat und Demokratie. Das Prinzip „Gnade vor Recht“ bedeutet per se, dass es die Ausnahme sein muss, soll es nicht in Willkür umschlagen.

Das Modell „Arigona“ zu Ende gedacht bedeutet überhaupt die Verunmöglichung jedweder Art von demokratischer Politik: Mittels boulevardmedial induzierter Personalisierung und Emotionalisierung lässt sich prinzipiell jede politische Entscheidung zumindest diskreditieren, wenn nicht gar kippen.

Noch einmal: Arigona hat, frei nach Heinrich Böll, in all den Jahren ihre Ehre verloren. Deswegen soll sie Österreich als Heimat gewinnen dürfen. Die übrigen handelnden Personen mögen beschämt schweigen.

* rudolf.mitloehner@furche.at

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