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Ein geheimes Memorandum

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In politischer Hinsicht interessant ist auch der erst jetzt bekannt gewordene Inhalt eines geheimen Memorandums, das der Vorgänger des gegenwärtigen Premierministers von Quebec vor längerer Zeit der Regierung in Ottawa zukommen ließ. Es sei zu wünschen, hieß es darin, daß man Kanada zur Republik erkläre, aber trotzdem im britischen Commonwealth verbleibe. Außerdem solle Kanada nicht mehr als „Dominion“ bezeichnet werden, da dieser Ausdruck zu sehr an die Kolonialzeit erinnere. Und was Quebec anbelangt, so wäre es angebracht, die Bezeichnung „Provinz“ durch das Wort „Staat“ zu ersetzen.

Erst im Vorjahr wurde der französischkanadische Separatismus zu einer wirklich ernst zu nehmenden politischen Bewegung mit erfahre nen politischen Führern. Nach einer zuverlässigen Schätzung dürften nunmehr zwanzig bis dreißig Prozent der französischsprachigen Kanadier die völlige Loslösung des französischsprachigen Teiles des Landes aus dem kanadischen Staatsver-

band aktiv und wirksam unterstützen oder zumindest mit ihr sympathisieren.

Der Kampf spielt sich meist in gesitteten Formen ab. Offene Zusammenstöße mit Gewaltanwendung zwischen Separatisten und Nichtseparatisten, die ein Eingreifen der kanadischen Polizei erfordern, sind selten. Einer fand im Sommer 1968 statt, als jugendliche Separatisten den aus Ottawa gekommenen kanadischen Ministerpräsidenten auf der Ehrentribüne mit Flaschen und anderen Gegenständen bewarfen, wobei mehr als hundert Personen verhaftet und mehrere hundert verletzt wurden.

Bei seiner Ankündigung der sich abzeichnenden Volksbefragung über die Zukunft Quebecs war der neue Premierminister dieser Provinz trotz allem relativ versöhnlich. Er sagte: „Möge das Volk entscheiden“, fügte aber hinzu: „Unsere ,appartenance ä la solidarite canadienne' steht außer Zweifel, doch ist sie vereinbar mit unseren Ansprüchen und mit der entschlossenen Ablehnung jedweden Verzichts auf unsere französische Eigenart.“

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