Die Iren irrten nicht

Werbung
Werbung
Werbung

Enttäuschung über das Nein der Iren zum Vertrag von Nizza in den EU-Hauptstädten. Wie konnten sie nur? Gerade die Iren, die doch wirtschaftlich so von der EU profitiert haben!

Die Verantwortlichen sind sich einig: Die in Nizza so mühsam zustande gekommene Institutionenreformwird nicht Irlands wegen "aufgeschnürt". Kommissionspräsident Romano Prodi und Ratspräsident Göran Persson haben der irischen Regierung schon jede Hilfe angeboten, um einen Ausweg zu finden, der "die Substanz des Nizza-Vertrages unverändert lässt".

Wäre ja auch gelacht. Sollen lächerliche 529.478 Nein-Stimmen die Zukunft von 360 Millionen EU-Bürgern, ja von ganz Europa bestimmen? Soll die Osterweiterung von einer Entscheidung abhängen, an der gerade nur ein Drittel der Wahlberechtigten teilgenommen hat?

Berechtigte Fragen. 1992 allerdings, bei der Abstimmung der Franzosen über den Maastricht-Vertrag, herrschte eitel Wonne über 540.000 Stimmen, den Überhang der Ja-Stimmen zum Vertrag, eine hauchdünne Mehrheit. "Ein Sieg ist ein Sieg", stellte der damalige französische Innenminister fest. Der Sieg der Nein-Stimmen zu Maastricht in Dänemark - ebenfalls 1992 - blieb allerdings kein Sieg. Nach "intensiver Vorbereitung" durften die Dänen 1993 nochmals abstimmen - diesmal richtig, wie sich herausstellte: mit ja. Für Irland wird jetzt eine ähnliche Vorgangsweise ins Auge gefasst.

Diese Art, die Zukunft Europas zu konzipieren, ist abzulehnen. Was immer die Iren veranlasst haben mag, gegen den Nizza-Vertrag zu stimmen, es sollte als Signal für ein tiefes Unbehagen der Bevölkerung - und nicht nur der irischen - verstanden werden.

Und dieses Unbehagen besteht ja zu Recht, fehlt es doch an einem Grundkonzept für die Zukunft Europas. Soll die EU als Bundesstaat oder als Staatenbund funktionieren? Solang man dies nicht klärt, bleibt vieles unklar und irritierend. Nach Jahrzehnten undurchsichtigen Kompromisseschließens ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen und Klarheit über eine zukunftsträchtige Konstruktion der Union zu schaffen, etwa durch einen Verfassung gebenden Konvent auf breiter Basis, der die Kompetenzen klärt. Das Nein der Iren sollte dazu als Impuls genutzt werden.

E-Mail: gaspari@styria.com

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung