„Ecuador zahlt Beitrag für die Menschheit“

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Ecuador hat sich vor einem Jahr eine neue Verfassung gegeben. Alberto Acosta (siehe auch FURCHE, Nr. 47/2009) war Präsident der verfassunggebenden Versammlung. Er erklärt, was das in der Verfassung garantierte Recht auf „Sumak Kawsay“, auf „gutes Leben“, bedeutet.

Die Furche: Herr Acosta, was ist das Besondere an der im letzten Jahr mit überwältigender Mehrheit vom ecuadorianischen Volk bestätigten Verfassung?

Alberto Acosta: Eine Verfassung ist das wichtigste Gesetz eines Landes. Wir sehen sie auch als Wegweiser für unser gemeinsames Leben. Ecuador ist ein plurinationaler Staat. Wir anerkennen die Existenz unterschiedlicher Nationalitäten und Völker in unserem Staat. Gemeinsam einigten wir uns auf die „Idee vom guten Leben“.

Die Furche: Was soll das sein?

Acosta: Diese Idee geht weiter als die herkömmliche, traditionelle Wirtschaftslogik, wo Entwicklung allein als materieller Fortschritt gesehen wird. Wir haben auch die Rechte der Natur in unser Konzept von gutem Leben einbezogen. Sie sind für uns genauso wichtig wie die Menschenrechte. Noch deutlicher gesagt: Ohne Naturrechte gibt es keine Menschenrechte. Denn die Natur, die „Mutter Erde“, steht am Anfang. Deshalb ist die Natur nicht nur als Ressourcenquelle zu sehen. Wir sind ein Teil der Natur, wir stehen nicht über der Natur, wir müssen sie respektieren. Und wir müssen daran arbeiten, dass die Naturrechte so wie die Menschenrechte allgemein anerkannt werden.

Die Furche: Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist über 60 Jahre alt, noch immer wird sie nicht überall eingehalten. Und die Zahl der Verbrechen gegen die Naturrechte liegt wahrscheinlich noch höher.

Acosta: Aber die Natur schlägt zurück: die steigende Zahl der Wirbelstürme, El Nino, Katrina, die Folgen des Klimawandels generell …

Die Furche: Mit dem Verzicht auf Erdölförderung will Ecuador nun beim Schutz der Naturrechte vorangehen.

Acosta: Das geht nicht allein, das fordert eine enorme Kraftanstrengung auf internationaler Ebene. Wir verpflichten uns, ein Fünftel unserer Erdöl-Reserven im Boden zu lassen. Um die Artenvielfalt zu schützen. um die dort lebenden indigenen Völker zu schützen, um den C02-Ausstoß zu verringern. Ecuador zahlt damit einen Beitrag für die Menschheit. Wir tragen Mitverantwortung. Wir lassen das Erdöl im Boden, aber wir verlangen einen Beitrag der anderen Länder, um dieses Vorhaben auch durchführen zu können. Das ist keine Erpressung, keine Wiedergutmachung, auch andere müssen Mitverantwortung tragen.

Die Furche: Rohstoffreichtum endet bei den meisten Ländern im Ressourcenfluch. Allein Norwegen scheint sein Erdöl nachhaltig nützen zu können. Fürchten Sie um Ecuador, weil es an Rohstoffen reich ist?

Acosta: Als Norwegen mit seiner Erdölförderung begann, war es im politischen und sozialen Bereich bereits sehr gut entwickelt. So konnten sie den Reichtum institutionalisieren. Ecuador, Venezuela, Iran, Irak, Saudi Arabien haben viel Erdöl, aber sie sind in der demokratischen Entwicklung hinten. Sie leben von der Rente der Natur und autoritäre politische Strukturen unterstützen das. Aber das zu ändern, war ja mit ein Grund, unsere Verfassung neu zu schreiben.

Übersetzung: Margot Fink

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