Israel - stark ohne Scharon

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Sie und ich, wir alle wissen, wie es um Ariel Scharon steht. Wir haben von seinem Schlaganfall erfahren, von seinem Todeskampf gehört, sein Koma miterlebt und werden gerade über sein langsames Aufwachen informiert - warum eigentlich? Warum wissen wir das alles?

Israel ist ein Land im Krieg, in Israel gilt immer noch die Militärzensur für alles, was die Sicherheit des Landes betrifft. Dass Israel zum Beispiel Atomwaffen besitzt - das entscheidende Faktum im Auf und Ab gegenwärtiger Nahostpolitik - wissen wir offiziell gar nicht. Und es ist anzunehmen, dass wir auch sonst sehr viel Wichtiges aus und über Israel nicht wissen, weil es zurückgehalten oder vertuscht wird. Über Scharon jedoch wissen wir alles. Gerade über jenen Scharon, den die internationale Presse, die Experten und Kommentatoren als "Orientierungspunkt in Nahost" bezeichnen, als "starken Mann, nach dem sich die Massen sehnten" und nach dessen Ausscheiden "die Israeli führungslos geworden sind".

Wenn das stimmt, dass Israel ohne Scharon auch nur eine Sekunde lang führungslos wäre, dann würden wir alle jetzt noch glauben, der Premierminister macht Urlaub am See Genesaret und hat gestern einen zwei Kilogramm schweren Petrusfisch gefangen. Was an Vertuschung aus Staatsräson möglich ist, haben wir beim Schlaganfall von Frankreichs Jacques Chirac im letzten September gesehen; gar nicht zu reden vom geheimen Sterben des Jassir Arafat oder anderer Staatsführer vor ihm - wenn sie wollen oder müssen, können das die Israeli genauso.

Mit Ariel Scharon verliert Israel seine prägende politische Gestalt der letzten fünf Jahre - keine Frage. Aber Israel stürzt jetzt nicht in ein Machtvakuum, ist auch nicht orientierungslos und bietet seinen Feinden auch keine offene Flanke. Israel fühlt sich sicher und wäre es anders - wir würden nichts davon wissen.

wolfgang.machreich@furche.at

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