Was aber, wenn doch?

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An ein neues "Tagebuch eines Landpfarrers" hat sich Furche-Kolumnist Helmut Schüller nicht herangewagt. Er belässt es bei diesbezüglichen "Notizen" voll sanfter, aber unmissverständlicher Fragen.

Im niederösterreichischen Probstdorf gibt es zwei Stammtische beim Kirchenwirt: einen für Leute, die schon während der Sonntagsmesse Karten spielen, und einen für die, die nach der Messe kommen. Der Pfarrer gehört zum zweiten. Aus der ersten Runde hat einer zu ihm einmal gesagt: Seit Sie auch vorbeikommen, hat mein Spielerglück zugenommen! Darauf der Pfarrer: Dann kommen Sie doch einmal auch in der Kirche vorbei, damit mein Glück auch zunimmt!

Der 74. Pfarrer von Probstdorf heißt seit zehn Jahren Helmut Schüller, und die beim Erntedankfest wieder einmal übervolle Kirche spendete ihm langen Beifall, als nach der Messe sein Buch "Notizen eines Landpfarrers" vorgestellt und gleich hundertfach verkauft wurde. Das Autorenhonorar fließt in die Pfarrkasse. Seine Beliebtheit hat er sich aber nicht mit materiellen Gesten erworben, sondern durch Vertrauen bildende Verhaltensweisen. Davon gibt das Buch viel preis: in einfacher Sprache, auch selbstkritisch, ohne Belehrungspathos, in Beispielen und Bildern erzählend.

Wer sich an den Caritaspräsidenten Helmut Schüler erinnert, der Macht- und Geldverwaltern Stachel ins Gewissen pflanzte, oder an den der Erzdiözese Wien harte Reformen verordnenden Generalvikar, muss das Bild erweitern. Hier begegnen wir einem Seelsorger, der seine Landpfarrer-Rolle nicht gekünstelt spielt, sondern glaubhaft macht, dass er sich die Sympathien angestrengt und ständig lernbereit erwarb. Viele Pfarrer in ganz Österreich werden sich in diesem Erfahrungsprozess wiederfinden.

Als Schüller in der TV-Schlussrunde zum Papstbesuch die von Benedikt XVI. nicht erwähnten Streitfragen in einen Freiraum angesiedelt wähnte, in dem man nun experimentieren könne, legte ihm diesen Fantasiesprung wohl ein Kobold auf die Zunge.

Die realistische Weltsicht dieses Buches lebt vor allem von seiner Fähigkeit, Reformhoffnungen ins Gewand sanfter Schilderungen oder Fragen zu kleiden. So kommen Zölibat und Frauenweihe, Sakramente für Zweiteheleute (mit Ratzinger-Zitat aus 1972), Ökumene und allgemeine Sexualmoral zu unaufgeregter, aber unmissverständlicher Behandlung im Sinne von "Ändern, damit das Unveränderliche bleibt!"

Erfrischend fantasievoll (wiewohl schon vor 50 Jahren vorgedacht vom Linzer Pastoraltheologen Ferdinand Klostermann) der Vorschlag, mit der Gemeindeleitung auch verheiratete Teilzeitpriester zu betrauen, die in einem profanen Beruf für Weib und Kind das dazuverdienen, was sich die Kirche nicht leisten zu können fürchtet.

Und warum haben die Bischöfe die Salzburger Delegiertenbeschlüsse 1998 gegenüber dem Papst "bestenfalls kleinlaut" vertreten? Weil man sich Rechenschaftspflicht gegenüber dem Volk Gottes einfach nicht vorstellen kann!

Doch auch hinter Enttäuschungen lauert versteckte Hoffnung: "Die Papstwahlen von 1978 haben neugierig gemacht auf das, was kommt", schreibt Schüller auf Seite 165. "Die Wahl von 2005 hat signalisiert, was nicht kommen soll. Was aber, wenn doch?"

NOTIZEN EINES LANDPFARRERS

Von Helmut Schüller

Edition Steinbauer, Wien 2007

191 Seiten, kt., € 22,50

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